Nicht der Kopf ist das Problem, sondern die Wand
Ein Buch über einen Aufstand, der nicht stattfindet
„Der Weiberaufstand – Warum Frauen in der katholischen Kirche mehr Macht brauchen“, so lautet der Titel eines neuen Buchs von Christiane Florin, das Ende Mai 2017 im Kösel-Verlag erschienen ist. Es handelt sich dabei nicht um eine Studie, sondern um eine Streitschrift und einen Streifzug. Der Streifzug führt ein wenig durch die Kirchengeschichte und beschreibt vor allem die Entwicklung der letzten Jahrzehnte. Ch. Florin erzählt von ihrer eigenen katholischen Sozialisation in den 70er und 80er Jahren, wie auch von vielen Begegnungen und Gesprächen. Auf ihrem Streifzug begegnet sie Frauen, die für das Priestertum der Frau gekämpft haben und solchen, die sich jetzt aktuell danach sehnen. Sie trifft Frauen, die nicht kämpfen und entdeckt die unterschiedlichsten Gründe dafür und sie führt Gespräche mit Frauen, die sich für den Diakonat der Frau einsetzen. Sie begegnet wohlwollenden Bischöfen und Hardliner-Priestern, ihr Bummel durch die katholische Welt führt sie zum katholischen Frauenbund, zur Familiensynode nach Rom und über die Grenzen hinaus zu den Piusbrüdern. Sie vertieft sich ins Kirchenrecht, liest Bücher wie z.B. „Frauen und kirchliches Amt“ von Sabine Demel und schaut sich auch Entwicklungen in der evangelischen Kirche näher an. Drei Päpste lässt sie zu Wort kommen – Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus. Pointiert stellt sie die Unterschiede in der Herangehensweise ans Thema dar und ebenso die Einigkeit im Hinblick auf das Ergebnis: „Die Tür ist und bleibt zu“.
Konzilsbewegte Mentalität der 80er Jahre…
Kaum war das Buch bei mir eingetroffen, da saß ich auch schon auf dem Balkon und schmökerte. Neu sind die meisten Fakten, die berichtet werden, nicht für mich. Sehr ansprechend jedoch die Herangehensweise ans Thema. Schon allein, dass das Wort „Macht“ im Titel auftaucht, gefällt mir. Ich erinnere mich, wie Ch. Florin sich vor einem Jahr auf Facebook kritisch über das männerdominierte Pontifikalamt zum Abschied von Kardinal Lehmann echauffiert hat. Diese Wahrnehmung nimmt sie als Einstieg in ihr Buch und erwähnt so nebenbei ihren kurzen Wortwechsel mit ihrer 13-jährigen Tochter. Die Tochter reagiert schulterzuckend. Sie hat andere Sorgen. Sie beschäftigt sich kritisch und konstruktiv mit dem Weltklima. „Frauen am Altar? Das ist für sie der Jute-Sack unter den politischen Kampfthemen, keinen Businessplan und kein Recycling wert“, so bringt es die Autorin auf den Punkt. Gegen Ende des Buchs wird sie die Frage stellen, ob sie sich mit ihrem Buch tatsächlich zu einem Sprachrohr der katholischen Frauen macht.
Ok, ich bin sieben Jahre älter als Christiane Florin, aber wenn ich lese, was sie aus ihrer Jugendzeit beschreibt, dann passt das schon sehr gut zu meinen Erinnerungen. Gemäßigt-katholisches Elternhaus, katholisches Mädchengymnasium, Engagement in der Jugendarbeit in einer Zeit, in der das Grundgefühl vorherrschend war, dass die Kirche halt ein wenig länger braucht, um gesellschaftliche Entwicklungen nachzuvollziehen, aber dass das schon noch klappen wird. Sowohl zuhause als auch in der Schule wurde ein selbstbewusstes Frauenbild vermittelt. Priesterin wollte sie nie werden. Ich auch nicht, denke ich, als ich das lese, und erinnere mich schmunzelnd, dass der Pfarrer, mit dem ich im Grundschulalter zu tun hatte, in meiner Gegenwart zu meiner Mutter sprach, wie äußert bedauerlich es sei, dass ich kein Junge sei. Dann hätte man nämlich einen Pfarrer aus mir machen können, meinte er. Da ich diesbezüglich keinerlei Ambitionen hatte und es sowieso besser fand, ein Mädchen zu sein, war das kein Problem für mich.
Später dann, in der Jutesack-Epoche der 80er, war in ihren, wie in meinen Kreisen Mainstream, dass die Ungleichbehandlung der Frauen in der katholischen Kirche nicht ok ist und dass sich da sukzessive was ändern wird. „Die spinnen, die Römer“, war unser typischer Kommentar, wenn wir im Religionspädagogikstudium lernen mussten, dass es ein kirchenrechtlich definiertes „Gefälle zwischen dem Amt und den Laien“ und darüber hinaus zwischen Mann und Frau in der Kirche gäbe. Historisch-kritisch und auch etwas psychologisch an die Bibel heranzugehen war reizvoll und die Hoffnung, durch Wissen und Methodenkompetenz gerade als pastorale Laienmitarbeiter die Entwicklung lebendiger Kirchengemeinden mitgestalten zu können, war groß. Kirche und Christsein waren vor allem bei besinnlichen Angeboten für junge Menschen oder auch bei Aufenthalten in Taizé erlebbar. An Aufstand dachte kaum jemand und mit den Priestern, die einem in gut ausgewählten Praktikumsstellen oder wo auch immer begegnet sind, konnte man sich in der Regel ganz locker über kirchenkritische Themen unterhalten. Einmal, so erinnere ich mich, erzählte mir einer jedoch, dass selbstverständlich für alle Zeiten und immer nur Männer Priester werden könnten, denn erstens habe Jesus nur Männer zu Aposteln berufen und zweitens würde der Priester ja am Altar Christus repräsentieren. Und sowas könne eine Frau ja gar nicht. Als Theorie war mir das natürlich bekannt gewesen, aber ich war doch verblüfft damals, dass jemand so was aus vollster Überzeugung als unverrückbare Tatsache behauptet.
…trifft auf Generation Benedikt
„Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz. Ein fast fiktives Abendmahl mit einem Jungkonservativen“. So lautet die Überschrift eines Kapitels in der Mitte des Buchs. Ch. Florin erzählt von einer Begegnung mit einem Priesteramtskandidaten von vor etwa sieben Jahren. Serviert war Nudelsalat und Pfefferminztee und der angehende Priester aus der Generation Benedikt sprach: „Wenn Frauen geweiht würden, dann wäre das ein Verrat an der katholischen Kirche.“ Dieser Satz war ein Schlüsselmoment für Frau Florin, sich intensiv mit dem Thema Frauenordination zu befassen. Gegenargumente entkräften, wie auch zum Aufstand ermutigen, dazu möchte sie beitragen. Sie wünscht sich, dass die Leserinnen und Leser nach der Lektüre des Buchs entscheiden: „Ist der Ausschluss vom Amt richtig und die Kritik daran wehleidig? Ist er eine Unverschämtheit? Ein Unrecht?“
Ein zentraler Text, mit dem sich die Autorin auseinandersetzt, ist das Apostolische Schreiben „Ordinatio sacerdotalis“, in dem Johannes Paul II. 1994 die nur Männern vorbehaltene Weihe vehement bekräftigt hat. Erschreckend ist für Florin nicht nur diese Feststellung an sich, sondern das damit verbundene Diskussionsverbot und die Gesamthaltung dieses Papstes – wie vieler anderer mächtiger Kleriker vor und nach ihm – zu definieren, wie Frauen sind und was ihre Rolle ist. Dass Johannes Paul dies in charmante Formulierungen zu verpacken versucht, macht es nicht besser. Benedikt bestätigte die Entscheidung des Vorgängers, verzichtete dabei jedoch auf Frauenschmeichelei. Und dann kam Franziskus und bisweilen hat man den Eindruck, es tut sich was. Oder doch nicht? Er kritisiert Kleriker, lobt Frauen, ermöglicht eine Prüfungskommission zu einer Art Diakonat der Frau und sagt gleichzeitig, dass seit Johannes Paul II. für alle Zeiten alles klar sei – Frauen werden nicht zugelassen. Verändert hat sich durch Franziskus nur, dass Debatten wieder erlaubt sind.
Das Jodeldiplom … „dann hat sie was Eigenes“
Ein Ergebnis der Würzburger Synode (1971-75) war ein Votum zum Diakonat der Frau – in Zulassungsbedingungen, Bedeutung und Aufgaben dem Diakonat der Männer entsprechend. Eine Antwort aus Rom gibt es dazu bis heute nicht. Was es gibt, zumindest in Deutschland, ist das Engagement für die Ermöglichung des Diakonats der Frau. Seit fast 20 Jahren wird das Anliegen jährlich thematisiert und gefeiert beim „Tag der Diakonin“. Es gibt ausgebildete, aber nicht geweihte Diakoninnen und es gibt eine dem Kreis der Roman Catholik Women Priests angehörige Diakonin. Im Gegensatz zu ihren priesterlichen Kolleginnen wurde sie nicht exkommuniziert – untersagt wurden ihr alle liturgischen Dienste. Ihr Anliegen, als Diakonin anerkannt zu werden, liegt der Glaubenskongregation in Rom vor.
Frau Florin erzählt von diesen unterschiedlichen Versuchen, eine Diakoninnenweihe zu erreichen und stellt realistisch dar, dass es in dieser Frage eher rückwärts als vorwärtsgeht. Die Idee, die in Klerikerkreisen inzwischen kursiert, wenn vom Diakonat der Frau die Rede ist, beschäftigt sich nicht mit einem der männlichen Diakonenweihe entsprechenden Amt. Konstruiert wird eher so eine Art Jodeldiplom. Zu diesem Schluss kommt Ch. Florin und trifft damit den Nagel auf den Kopf. Eine solche Diakonissenlösung – Überlegungen dazu propagierte Kardinal Kaspar in der DBK im Jahr 2013 -, damit die Frau, wie Frau Hoppenstedt bei Loriot was Eigenes hat, ist so unattraktiv, dass selbst Frauen, die der Meinung sind, dass Diakonin doch schon mal was wäre, wenn auch Priesterin unerreichbar bliebe, nicht darauf anspringen.
Was sagen pastoral hauptberufliche Frauen zum Thema Frauenordination?
Diese Frage hat mich im Zusammenhang mit den Recherchen zu meinem Buch „Frauen und Führung in der katholischen Kirche“ vor etwa fünf Jahren u.a. beschäftigt. Für das Thema „Diakonat der Frau“ interessieren sich Gemeinde- und Pastoralreferentinnen (GR und PR) aus guten Gründen eher nicht, denn das, was Diakoninnen vielleicht erlaubt sein würde, das tun sie schon längst. Elemente, die darüber hinaus gehen könnten, wie z.B. der Auftrag, zu taufen, die ließen sich auf der Basis des geltenden Kirchenrechts ermöglichen. Manches an sich Verbotene wird vor Ort längst gemacht – u.a. haben in einer Umfrage des Gemeindereferenten/innen-Bundesverbands 30% der Befragten angegeben, dass sie in der Eucharistiefeier predigen.
Daraus nun zu schließen, dass die Ablehnung der Frauenordination von Seiten der Theologinnen und Religionspädagoginnen unterstützt wird, wäre allerdings falsch. In der bundesweiten Befragung von Frauen beider pastoraler Berufsgruppen waren 85% der Meinung, dass die Herrschaft der Kirche eindeutig bei den Männern liegt und dass es Kleriker gibt, die intensiv daran arbeiten, dass dies so bleiben möge. 80% sind der Auffassung, dass Diakoninnen- und Priesterweihe eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Zur Auswahl stand bei den Fragen zum Thema Frauenordination auch ein Zitat einer Frau, die in der katholischen Kirche eine Führungsposition innehat. Sie sagte: „Wenn ich das Thema ‚Ämterfrage‘ aus meiner theologischen Qualifikation heraus überdenke, dann kommt mir die Argumentation der Kirchenleitung nahezu peinlich vor.“ 70% der befragen GR und PR unterstützen diese Aussage. 50% haben angekreuzt, dass sie in ihrer Tätigkeit als Frau in der Kirche erleben, dass sie abgewertet werden. Nur 1,4% waren der Meinung, dass Frauen von den Weiheämtern ausgeschlossen sein sollten und 8,4% fordern (z.T. zunächst) nur die Diakoninnenweihe. Der Großteil der pastoralen Mitarbeiterinnen hält also das Verbot der Frauenordination für falsch und vielen davon ist die Argumentation der Kirchenleitung „nahezu peinlich“. Ergänzend zu dieser Frage konnten die befragten Frauen ihre persönliche Meinung zum Thema formulieren. Eine Frau schrieb: „Für mich ist die Frauenfrage innerhalb der Kirche weniger an die Zulassung zum Priesteramt gebunden als vielmehr daran, wie die Ämter verstanden und gelebt werden. Ich möchte um nichts in der Welt ein weiblicher Kleriker sein, so lange ein geschwisterlicher Umgang fehlt im Sinne von „… da gibt es nicht mehr Griechen und Juden…, Mann und Frau…“. So lange in unserer Kirche nicht über Macht und den Umgang damit gesprochen wird (geschweige denn mit der Macht jesuanisch umgegangen wird), verzichte ich gern auf eine führende Position und unterstütze andere Frauen, die den schweren Weg wagen, innerhalb der Kirche etwas zu bewegen.“
Warum findet der Aufstand nicht statt?
Christine Florin zeigt eine ganze Reihe von Gründen auf, weshalb der Aufstand nicht stattfindet: Die ehemals Aufmüpfigen sind alt geworden, viele Junge (vor allem Priester) sind entweder sehr traditionalistisch geprägt oder leben und agieren postmodern flexibel. Hauptberuflich pastorale Mitarbeiterinnen schauen, dass sie im System zurechtkommen. Im besten Fall haben sie ihre Nische gefunden, z.B. in der Krankenhausseelsorge oder in der Beratung und Begleitung von Ehrenamtlichen oder von Umstrukturierungsprozessen. Wem es gelingt, den passenden Spielraum zu finden und zu bespielen, dem geht es oft recht gut. Sie oder auch er nutzt die Chance, im Rahmen der in gewisser Weise aus der Zeit gefallenen Kirche, beruflich das zu tun, was sie/er für sich als stimmig erkannt hat. Manche sind schon lange nicht mehr da, haben andere berufliche Wege eingeschlagen. Im schlimmsten Fall halten Laienmitarbeiter/innen verletzt und resigniert durch. Von Frauenordination spricht kaum jemand mehr und der Kreis der Kämpferinnen für den Diakonat der Frau rekrutiert sich vor allem aus immer noch konzilsbewegten engagierten Ehrenamtlichen, wie z.B. im ZDK oder im Katholischen Frauenbund. Weibersolidarität erkennt Frau Florin keine und mein Eindruck ist, dass sie das realistisch sieht.
Mir geht Verschiedenes durch den Kopf, wenn ich überlege, weshalb der Aufstand nicht stattfindet. Ein Grund ist sicher die realistische Einschätzung, dass aus allem Bemühen kaum mehr als ein Jodeldiplom herausspringen würde. Hinzukommt auch eine gewisse verinnerlichte Vorsicht – vor allem bei denen, die sich in einem kirchlichen Angestelltenverhältnis befinden -, sich für solche Reizthemen stark zu machen. Mit abhängig davon, welchem Bistum man angehört, ist das eine durchaus kluge Selbstschutzmaßnahme.
Ich meine auch, dass gerade bei Gemeindereferentinnen ein gewisses Selbstbewusstsein eine Rolle spielt. Ihnen ist, im Gegensatz zu PR viel weniger wichtig, dass Ihre Tätigkeit seitens der Kirchenleitung offiziell als Amt anerkannt werden sollte. GR wurden nicht, wie PR im Zuge des Konzils neu ins Dasein gerufen, sondern gingen hervor aus dem bereits ca. 100 Jahre alten Beruf der Seelsorgehelferin. Natürlich gab es durch das Konzil einen Entwicklungsschub und eine neue – inzwischen bereits wieder veraltete – Berufsbezeichnung. Und natürlich wissen GR, dass sie ebenso wie PR nicht zur Ursprungsordnung der katholischen Kirche gehören und somit auch wieder abgeschafft werden könnten. Klar ist auch, dass die Abwertungen, die man als pastorale Mitarbeiterin in der Kirche erlebt, bisweilen extrem sind. In meinen ersten Berufsjahren sprach mein damaliger dienstvorgesetzter Pfarrer z.B. zu mir: „Wenn Sie noch einmal in Gegenwart von Gemeindemitgliedern eine andere Meinung äußern als ich, dann werfe ich Sie in hohem Bogen hinaus. Die religiöse Richtung bestimme ich.“ Eine Ausnahme bin ich da nicht. Ich könnte viel erzählen aus meinen über 30 Jahren Kontakt mit Kolleginnen und auch Kollegen. Trotzdem findet man bei Männern wie Frauen in pastoralen Berufen oft ein überzeugtes Auftreten gerade als Laien, die Kirche mitzugestalten. „Kirche braucht Profis“ steht auf dem Banner des GR-Bundesverbands.
Wenn ich an junge Leute denke, dann fällt mir zum einen „Valerie und der Priester“ ein. Ich habe das Projekt aufmerksam verfolgt und habe mich immer wieder befremdet gefragt, warum gerade ein Priester mit so festgefahren katholischen Überzeugungen ausgewählt wurde. Es wird Gründe dafür geben. Auf der anderen Seite fällt mir Jaqueline Straub ein, die seit Jahren offen verkündet, dass sie sich zur Priesterin berufen fühlt. Auch die geweihte Diakonin ist mir ein Begriff, sie wohnt keine 10km von mir entfernt. Persönlich kenne ich keine von beiden und ich möchte, wie Frau Florin zurückhaltend sein mit Bewertung der von ihnen erzählten Berufungsgeschichten. Befremdend jedoch kommen solche Geschichten bei mir an, egal ob es sich um Frauen oder Männer handelt. Was für mich passt oder von mir aus auch, wozu ich berufen bin, ist aus meiner Sicht etwas, das sich lebenslang entwickelt und verändert. Frau Straub in einer Talkshow im Fernsehen zuzuhören hat bei mir somit eher unangenehme Gefühle ausgelöst, ihre Aussage gegenüber Frau Florin, dass es ihr nicht um Macht gehe, empfinde ich im Hinblick auf mein Anliegen einer Gleichwertigkeit von Mann und Frau in der Kirche als kontraproduktiv und wenn ich im „Weiberaufstand“ lese, dass Frau Ladewig die Autorin gebeten hat, keine Streitschrift zu verfassen, sondern ein Buch, das die Herzen bewegt, dann bin ich doch froh, dass es bei aller Emotionalität, die sich darin zeigt und die es bei Lesern sicher auch auslösen kann, eine Streitschrift geworden ist.
Knackpunkt: die Ämterstruktur an sich
Ein wichtiges Item aus dem Fragebereich zur Frauenordination bei der Umfrage unter hauptberuflichen pastoralen Mitarbeiterinnen, habe ich bisher nicht erwähnt. Es lautete: „Notwendig ist nicht nur die Frauenordination – die Ämterstruktur muss insgesamt hinterfragt und reformiert werden.“ Zugestimmt haben hier 82,9% der Befragten. Dies zeigt, dass es einem Großteil der pastoralen Mitarbeiterinnen, die sich für die Beantwortung der Fragen Zeit genommen haben, längst nicht nur um die Zulassung der Frauen zur Priesterweihe geht. Das „Gefälle zwischen dem Amt und den Laien“ bliebe ja bestehen, die Attraktivität des Priesterberufs würde allein durch die Zulassung von Frauen kaum gesteigert, Themen wie Pflichtzölibat (sollte der dann etwa auch für Frauen gelten?), Respekt (statt Barmherzigkeit) gegenüber geschiedenen Wiederverheirateten oder auch gleichgeschlechtlichen Paaren wäre nach wie vor ungelöst. Frau Florin geht in ihrem Buch auch darauf ein und empfiehlt, sich jetzt doch erst mal auf das eine Thema zu konzentrieren. Dass dahinter die Hoffnung steht, dass mit Frauen an der Macht viele weitere Veränderungen eher möglich wären, glaube ich nicht, denn Frau Florin sagt an anderer Stelle (meiner Meinung nach zurecht), dass Priesterinnen nicht „besser“ sein würden als Priester.
Worauf es meiner Einschätzung nach zu allererst ankäme, wäre, die Haltung zu verändern, einen ernsthaften Dialog auf Augenhöhe zu ermöglichen und Experimente zu wagen. Anfangen, Kirche neu zu erfinden, Abstand nehmen zur Haltung, dass Veränderungen nur dann möglich sind, wenn man sie so aussehen lassen kann, als sei alles schon immer so gewesen. Fundierte Begründungen für die Frauenordination und für viele andere Themen, die – ob erlaubt oder erwünscht – diskutiert werden, die gibt es genug. Entscheidend ist das, was im Buch im letzten Satz steht: „Wo ein Wille ist, da ist auch eine Weihe“.
Diesen Willen sehe ich auf Seiten der Kirchenleitung nicht. Meiner Einschätzung nach werden diejenigen jüngeren pastorale Mitarbeiterinnen, die die Ungleichbehandlung von Frauen nicht verinnerlicht haben, nicht so lange durchhalten, wie die alten aus der Jutesackgeneration. Mit der Einführung von Frauenquoten in kirchlichen Führungspositionen werden sie sich nicht zufriedengeben. Wenn ihnen auf Dauer keine gleichwertige Mitverantwortung geboten wird, dann werden sie weiterhin stillschweigend gehen.
Nicht der Kopf, die Wand ist das Problem.