12018

Konzept

Gunter Dueck

Neuerfindung der Kirche statt “Bless for less”

Heute stehen viele Unternehmen vieler Branchen vor einem Neuerfindungsproblem. Wozu ist eine Bank da? Überweisungen entgegennehmen und die zugehörige Quittung abstempeln? Wozu ist ein Versicherungsagent da? Lohnt ein Hausbesuch für eine neue Haftpflichtversicherung? Was geschieht mit den Autobauern, wenn wir auf selbstfahrende Taxis umsteigen, deren Benutzung eventuell der Einfachheit halber weitgehend gratis sein wird? Wie muss ein Haus gebaut werden, wenn niemand mehr ein Privatauto fährt? Dann muss man doch nicht einen hohen Prozentsatz der Kosten in die Tiefgarage stecken? Wie wird Krebs geheilt? Muss man unter Chemotherapien leiden, wenn ein gentechnischer Eingriff per „Genschere“ Wunder wirken könnte?

Hinter diesen technologischen Disruptionen, wie man neudeutsch sagt, stehen grundsätzliche Fragen wozu etwas in der neuen Zeit noch existiert und worin sein Zweck besteht. Es geht ja nicht vorrangig um Überweisungen – die Bank hat unser Vertrauen. Es geht nicht um Haftpflichtversicherungen – die Versicherung gibt uns Sicherheit. Das Auto gibt uns den möglichst problemlosen Transport von A nach B. Medizin ist nicht gleich Arznei, sie ist Heilen oder Gesundheitsprävention.

Wem vertrauen wir unsere heiklen Dinge an? Wer gibt uns Sicherheit und sorgt für uns im Notfall? Wer bringt uns wie bequem ans Ziel? Wer heilt wie? Wer grundsätzlich über diese Bedürfnisse nachdenkt, wie er all dies auf einer grünen Wiese neu erschaffen könnte, würde wohl zu anderen Ergebnissen kommen.

Tatsächlich vollzieht sich gerade unter Leitideen wie Digitalisierung, Globalisierung oder Sharing (gemeinsame Nutzung im Gegensatz zu individuellem Besitz) ein grundlegender Wandel in der Welt. Es gibt Bio-, Nano-, Fin-, Insur-, Prop-, Gentech-Firmen, die die Welt derzeit auf ein neues Fundament stellen.

Nun kämpfen die etablierten Industrien um ihre Existenz. Sie leiden unter Digitalisierungs- und Globalisierungsstress. Sie gehen in ihren Bemühungen oft viel zu weit. Das Finanzwesen hat uns eine Krise beschert, die Industrie empört uns per Dieselskandal und Nahrungsmittelgrenzwertigkeiten, bei Organtransplantationen wird gedealt. Die Banken haben viel Vertrauen eingebüßt, die Versicherungen machen uns unsicher, der Arzt will Zusatzleistungen erbringen, die wir nicht verstehen. Wir fühlen, dass im Umbruch die Dinge nicht mehr ihren eigentlichen Zweck erfüllen. Wir spüren in uns eine Sinnkrise. Wer gibt uns festen Boden und Sinn?

Die etablierten Industrien kämpfen um ihre Existenz. Sie gehen in ihren Bemühungen oft viel zu weit.

Die Religion? Ja, die Religion gibt uns Sinn, sie heilt unsere Seele. Sie vermittelt uns Sinn traditionell durch ihre Kirche und deren Priester.

Geschieht das tatsächlich? Sind wir mit der Kirche zufrieden? Fühlen wir Sinn? Haben wir Sinn? Haben wir die Hoffnung, Sinn zu finden, wenn wir uns an die Kirche wenden und ihr Sinnangebot wahrnehmen?

Wenn man den Sinnsuchenden als „Kunden“ ansieht, der faktisch immer weniger zum Kirchgang neigt, dann muss man logisch schließen, dass die Kirche nicht das anbietet, was er dort zu finden hofft. Die Zahl der Kirchenbesuche fällt dramatisch, selbst zum Weihnachtsfest zähle ich ratlos erstaunt, dass nur noch ein Drittel der Plätze besetzt sind. Wie kam das? Noch vor Jahren mussten wir doch als recht spät Eintreffende hinten stehen, so brechend voll war es!

Bill Gates befand vor vielen Jahren: „Banking is necessary, banks are not.“ Man braucht die Bankgeschäfte, aber nicht notwendig Banken. Man braucht Gesundheit, aber nicht die Ärzte von heute. Man wird immer Steuern bezahlen, aber ohne Lohnbuchhalter. Und man sucht wohl immer Sinn und „glaubt an das Gute“, aber vielleicht nicht per jetziger Kirche. Es liegt daran, dass die etablierten Systeme ihren Zweck in der neuen Zeit nicht mehr erfüllen und sich eben neu erfinden müssen, ersetzt werden oder ganz verschwinden.

Weil am Anfang Gott der Herr am siebenten Tage ruhte, gaben die Kirchen den Menschen den arbeitsfreien Sonntag, an dem jedermann aufgeputzt zur Kirche ging. Die Gemeinde traf sich rund um die Kirche und den Gottesdienst, nahm sich vielleicht noch für einen Frühschoppen Zeit und redete über Gott und die Welt. Hören wir ins Osterglockengeläut in Goethes Faust hinein (letzte Strophe Osterspaziergang):

Ich höre schon des Dorfes Getümmel,
hier ist des Volkes wahrer Himmel.
Zufrieden jauchzet groß und klein:
Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein!

Denn darum geht es, wie Jesus spricht (Lukas 17,20-21):

Als Jesus von den Pharisäern gefragt wurde, wann das Reich Gottes komme, antwortete er: Das Reich Gottes kommt nicht so, dass man es beobachten könnte. Man kann auch nicht sagen: Seht, hier ist es! oder: Dort ist es! Denn siehe, das Reich Gottes ist mitten unter euch.

Wäre das der Zweck der Kirche? Dann könnten wir sagen: Die Kirche hat den Zweck, den wahren Himmel unter den Menschen zu schaffen und das Reich Gottes mitten unter uns zu erhalten. Das aber leistet sie immer weniger. Sie zeigt eher zu sehr auf sich selbst, auf die Kirche und sagt: Seht, hier in der Kirche ist Gott – dort in der Kirche ist Gott! Die Kirche zieht sich auf die Kirche zurück. Aber: Kirchen werden geschlossen, Gemeinden zu Seelsorgeeinheiten zusammengeschlossen, in denen die Gottesdienste mal hier und mal da stattfinden – wo gibt es da Parkplätze und was tun Gläubige ohne Auto? „Wir stellen keine frischen Blumen mehr in unsere geliebte Kirche, es ist nur nach einem seltsamen Plan ungefähr alle vier Wochen Messe, sonst ist niemand hier, den die Blüten erfreuen könnten.“

Die Kirche zieht sich auf die Kirche zurück.

Die Kirche sieht von außen so aus, als ob sie ihren Zweck aufgäbe, um sich als Institution zu retten. Sie geht den Weg der Banken, die ihre Kleinzweigstellen schließen – den der Apotheken, die sich konzentrieren, den der Versicherungen, die mehr und mehr erwarten, dass wir uns zu ihnen in zentrale Agenturen bemühen. Und wer etwas von Management versteht, erkennt in diesem Streben die Handschrift der Effizienzberater, die mit einer Kirche zum Geldeinsparen so umgehen wie mit jedem weltlichen Unternehmen, das seine Haut unter der drohenden Digitalisierung retten will, ohne sich wirklich ändern zu müssen. Die Bank soll als Bank dableiben, aber nicht mehr so sehr für uns, sie schließt ja vor unserer Tür. Die Versicherung soll bleiben, aber nicht so sehr für uns. Die Kirche will bleiben, so wie sie ist, doch immer weiter von uns entfernt – aber das Reich Gottes soll doch unter uns sein? Wir fragen: „Kirche? Wo bist du?“ Sie windet sich und fordert immer stärker und wohl verzweifelt unsere Partizipation, also die gemeinsame Anstrengung der Laien und Freiwilligen. Sie fragt nicht, ob wir das wollen. Sie äußerst sich nur ungehalten, wenn wir nicht in dem Maße mitmachen, wie sie es erwartet. Darf sie das?

Eine gute Erklärung wäre: Sie behandelt den Gläubigen mehr wie einen Mitarbeiter der Kirche, nicht wie einen Kunden. Von einem Mitarbeiter kann man Motivation erwarten und einfordern. Der Pfarrer findet: „Ich brauche Hilfe beim Aufstellen des Weihnachtsbaumes“ oder „Wir müssen Sternsingergruppen aufstellen“. So reden Chefs mit Mitarbeitern. Chefs kommunizieren bei Reorganisationen so: „Kommen Sie mir nicht mit Bedenken. Wir haben uns die Seelsorgeeinheiten wohlüberlegt. Sie fahren ohnehin zum ALDI ein paar Kilometer. Das ist nun beim Kirchgang … äh beim Kirchenbesuch ebenso, das kann kein Problem sein. Bilden Sie Fahrgemeinschaften, bringen Sie die Älteren mit. Sie haben die Chance, Gläubige aus allen Umgemeinden kennenzulernen, das erweitert ihren Gesichts- und Wirkungskreis. Die Bildung größerer Seelsorgeeinheiten muss in diesem als einmalige Chance begriffen werden. Es kann nicht sein, dass es wieder gleich Kritik gibt, ohne dass wir die Weisungen des Bischofs erst einmal ausführen und gerne leben.“ Mitarbeiter hören solche Sätze mit dem Wort Chance darin ziemlich oft – sie fühlen sich an wie Regen und Schnee. Als „Kunden“ der Kirche würden sie entgegnen: „Die Gottesdienstpläne sind zu unregelmäßig und daher zu unbequem, der ewig gleiche Takt gehört für uns zum Ritus. Nicht alle können ohne Auto kommen. Wenn wir kommen, fehlen Parkplätze. Wir möchten eine Beziehung auch zu Gott über den Pfarrer, der unser Leben lange begleiten soll. Das war früher auch bei der Bank so. Wir haben nicht einfach so Vertrauen zur Bank, sondern zu den Menschen dort drin, die mit uns leben. Wir kennen in den anderen Gemeinden kaum jemanden und wollen das auch nicht wirklich. Niemand hat uns angehört. Wir hätten allezeit gesagt, dass wir keine Chance für solch ein Projekt sehen. Will man uns denn nicht mehr haben? Wozu zahlen wir die Kirchensteuer, jedes Jahr mehr?“

Ergebnis: Kein Getümmel mehr, kein Jauchzen der Kinder.

Die Finanzen der Kirchen scheinen solche Notwendigkeiten zu diktieren. Bis in die 90er Jahre bekamen die Kirchen übermäßig viel Geld, denn wir Deutschen bescherten uns satte jährliche Lohnerhöhungen und stiegen somit in der Steuerprogression hoch hinauf. Das musste die Kirchen freuen – nämlich, dass wir nicht nur höhere Einkommen hatten, sondern auch noch dazu höhere Steuersätze! Denn die Kirchensteuer ist ja an die Lohnsteuer gebunden und nicht an den Lohn. Heute muss die Kirche den Nochreichtum zu Nullzinsen anlegen und missvergnügt über die schon lange kargen Lohnsteigerungen sein. Viele Menschen zahlen kaum Steuern, weil sie nicht viel verdienen. Viele bekommen erst spät im Leben eine volle Stelle. Viele verlassen die Kirchen, auch um zu sparen. Kurz flackerten seit 2004 noch einmal Mehreinnahmen für die Kirchen auf, weil seitdem die Renten stärker besteuert werden. Insgesamt aber sehen die Finanzprognosen für die nächsten Jahre düster aus.

Die Kirche behandelt den Gläubigen mehr wie einen Mitarbeiter, nicht wie einen Kunden.

Was tun, wenn Einnahmen schrumpfen? Darüber denken gerade fast alle Unternehmen nach. Was tun, wenn keine Diesel mehr verlangt werden? Was tun, wenn es keine Zinsen mehr gibt? Was tun gegen die Preiskämpfe der Discounter, was gegen Internetapotheken oder Amazon? Die meisten Unternehmen harren aus, indem sie mit Effizienz- und Einsparorgien die Gewinne halten. Bei den Kirchen versuchen sie so etwas wie „Bless for less“. Sie alle hoffen, dass sich dann doch alles wieder richtet. „Das Internet geht bestimmt wieder weg. Die Unternehmen werden schon merken, dass wir Hiesige besser arbeiten als Billigkräfte in Asien.“ Kaum ein Unternehmen denkt radikal über seinen eigentlichen Zweck nach, über eine Neuerfindung oder eine größere Veränderung. Die Wirtschaftsjournalisten und vor allem die Investoren wundern sich und machen gute Vorschläge, denen die Unternehmen fast nur folgen müssten – aber nichts geschieht. Das Wort „verschlafen“ hat Konjunktur. Die Unternehmenslenker und Kirchenoberen tun so, als ob sie das kaum etwas anginge und reden unverdrossen darüber, dass sie gut aufgestellt seien auf dem eben gerade nicht einfachen Weg. Nachfragen, was solche leeren Floskeln denn sollen, werden hinter der Bühne so erwidert: „Was soll ich denn sonst sagen?“ Verharren scheint alternativlos zu sein, darunter stöhnen wir auch bei der heute weithin zerfahrenen Weltpolitik.

Die Kirchen verharren wie die Unternehmen und die Politik. Sie stöhnen über den enorm steigenden Handlungsdruck, finden aber in der eng gewordenen alten Denkwelt und bei schlechten Finanzen keinen Handlungsspielraum mehr. Fast scheint es, der mangelnde Spielraum bekäme ihnen ganz gut, weil sie so (vermeintlich) ohne eigene Schuld am Alten kleben bleiben dürfen. So verwalten sie das Alte ohne den Spielraum zu Handeln. Sie agieren wie immer, aber eben billiger und effizienter. Abstriche an der Qualität sind nicht mehr zu verübeln, es geht ja nicht anders. Das Verwalten zum Tode ist kritikbefreit.

Man möchte allen zurufen: „Bei einer Sintflut baut man Schiffe, nicht Deiche!“ Sie bauen Deiche – Schiffe müssten sie lernen.

Die Kirche bleibt in ihrer Welt. Sie predigt in ewig gleichen tradierten Denk- und Sprachmustern gegen Krieg, Gewalt, Armut und Todesfurcht. Die Reform Luthers wird derzeit gebührend gefeiert, sie hat ja auch die katholische Kirche irgendwie positiv prägen können. Aber die ist 500 Jahre her! Die Lieder, die wir singen, sind vielleicht halb so alt, ihr Text ist aus unvoreingenommener Sicht ziemlich – Verzeihung – banal bis seltsam. War es nicht möglich, in 500 Jahren ein Gesangbuch mit herrlichen Werken à la Bach/Schubert zu füllen? Die Liturgie scheint für Ewigkeiten festgelegt. Die Pfarrer haben kaum noch Lust, für eine bloße Handvoll Kirchgänger nach guter Vorbereitung lebhaft eindringlich zu predigen. Oft lesen sie nur noch Gebührendes vor und die wegen Priestermangels eingestellten ausländischen Pfarrer sind zu gutem Teil dazu gezwungen. Viele Pfarrer veredeln Normaltext durch heiligtuende Wortwahl bei Inbrunst simulierender Intonation. Rhetorik statt authentischer Ansage. Wie floskelndes Beratersprech und Managementspeech gibt es den weihevollen Kirchenton, bei dem eine heute anachronistische Form den Inhalt mühelos ersetzen kann.

Unser Leben kreist um Veränderung, neue Arbeitsformen, Internet & Flachsinn, Öffnung der Welt. Wir fürchten um den Wegfall der Deichbauerberufe, schieben die Gedanken an Altersarmut weg, helfen Flüchtlingen oder nicht und versuchen mitten im Umbruch das Leben zu genießen. In diesem Leben zeigt sich die Kirche nicht, sie ist gefühlt 500 Jahre entfernt. Die Themen unseres Lebens sind nicht mehr die tradierten Themen der Kirche.

Man möchte allen zurufen: Bei einer Sintflut baut man Schiffe, nicht Deiche! Sie bauen Deiche – Schiffe müssten sie lernen.

„Gott ist tot!“ sprach Nietzsche und wollte das nicht wirklich sagen. Er sah, dass wir Gott sterben lassen, wenn wir uns nicht mehr darum bemühen, das Reich Gottes unter uns zu verbreiten. Gott ist nicht annähernd so tagtäglich um uns herum wie die griechischen Götter in der antiken Zeit. Gott kann aber noch nicht tot sein, weil derzeit immer mehr Menschen auf Meditationen, Naturheilkunden, Bewegungstechniken, Psycho-Therapeutika und vieles, vieles mehr schwören und sich quasi Ersatzreligionen zuwenden, die dann wirklich „mitten unter ihnen sind“ und lebhaft gelebt werden. Wer auf diese Ersatzreligionen schaut, sieht doch, wie viele „Kunden die Kirche verlor“.

Was suchen denn Menschen in Qi Gong, Natur, Ernährung, Bio, Umwelt, Yoga, Flüchtlingshilfe oder Fitnessstudios? Sinn – Sinn – Sinn! Warum gehen sie zu Auszeiten ins Kloster, wenn sie zum Beispiel als Manager vom Burnout bedroht sind oder einmal innehalten möchten? Warum grassieren Depressionen, so viele, fast immer seelisch bedingte Rückenleiden, Arbeitsdruck-Elend unter Zielprügelei – warum plagt uns die Arbeitsplatzverlustangst und der zu häufige Wegfall der Bezugspersonen durch Reorganisationen und Scheidungen? Wir spüren, dass wir an Sinn verlieren.

Die Menschen suchen nun den Sinn woanders. Warum sieht die Kirche zu? Warum zögert sie, den Zölibat aufzugeben, warum keine Frauen als Priesterinnen, warum nach 500 Jahren keine neuzeitliche Liturgie und vielleicht neue sakrale Konzert-Musik aus Lautsprechern statt der alten Lieder, deren Text und Melodien von so vielen vergessen sind und zu denen der Organist auch nicht mehr das beste Verhältnis hat? Warum immer nur Leberwurst und Mettbrötchen bei Altennachmittagen – warum nicht einmal Eis, Pommes und Fanta zum Abwinken für die Kleinen? Warum nicht ganz neue Formen überdenken, die Digitalisierung einbeziehen, die Themen der Zeit aufgreifen? Warum keine solche Kirche, in der es Freude machte, Priester zu sein?

Wie in der Wirtschaft gibt es ganz natürliche Lösungsmöglichkeiten, wenn man denn wollte. Aber selbst nach fünfjährigem Wollen eines neuen Papstes unter allgemeinem Wohlwollen fast aller Menschen außerhalb Roms ist wenig Veränderung zu erkennen. Die Kirchen zaudern wie auch die großen Unternehmen, wie auch die selbsternannten Volksparteien, die sich der Irrelevanz nähern.

Es lässt sich kaum erklären, warum Menschen und Organisationen scheinbar sehenden Auges vor offensichtlich zu harte Wände fahren. Im Management wird oft die Trauer- oder Verzweiflungskurve von Elisabeth Kübler-Ross herumgereicht. Die besagt: wenn uns ein gefühltes schweres Unheil droht (das Sterben, eine schwere Operation oder eine einschneidende Veränderung), dann machen wir sehr oft fünf Stufen durch:

  1. Aggressives Nichtwahrhabenwollen („Das Problem existiert nicht. Ruhe damit!“)
  2. Zorn und Ärger („Warum gerade ich? Warum jetzt?“)
  3. Verhandeln („Wie kann ich alles noch mit minimalen Mitteln verhindern?“)
  4. Depression („Ich habe keine Hoffnung mehr. Ich spüre tiefe Leere.“)
  5. Akzeptanz („Ich gehe nun den mir bestimmten Weg.“)

Muss das so sein? Immer erst durch tiefste Täler zum Teil selbstverursacht hinein? Und erst dort, aus der Tiefe, den 23. Psalm anstimmen? „Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich.“ Muss alles erst ein Ende haben, damit eine Einigung oder ein Entschluss für einen Neuanfang möglich ist?

Die Menschen suchen den Sinn woanders. Warum sieht die Kirche zu?

Auf Trümmern blüht Konsens am besten!

Ja, ja! Aber müssen die Großkonzerne oder Kirchen wirklich erst abbrennen wie der Yellowstone-Park, um dann durch ungemein leuchtend grünende Jungbäume ersetzt zu werden, die man Startups nennt? Ist auch ein Umbau während des laufenden Betriebs möglich? Geht es auch ohne tiefes Tal? Kurz vor dem Tod erst besinnen sich Unternehmen auf den Kunden – meist zu spät. Kurz vor dem Tod erst besinnen sich viele Menschen auf die Liebe, für die sie mehr Zeit hätten haben sollen. Und wer sich durch diese Analogie angeschrien fühlt: JETZT soll sich die Kirche darum kümmern, dass das Reich Gottes unter uns ist, nicht erst, wenn den Hochrechnungen zufolge im Jahre 2040 die Kirchen ganz leer geworden sind. Löscht nicht dann das Licht. Zündet Lichter an. JETZT. Hic et nunc.

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