Mit der Konzentrischen Methode in Netzwerken zu tragfähigen Entscheidungen finden
Grundlagen
- Netzwerke sind durch ein Mindestmaß an Freiwilligkeit, Selbstverpflichtung, durch Vertrauen, Verhandlung, Potenzialität und Selbstorganisationstendenzen gekennzeichnet. (vergl. Sydow, Jörg / Windeler, Arnold (Hrsg.): Steuerung von Netzwerken: Konzepte und Praktiken, VS Verlag für Sozialwissenschaften 1. Aufl. 1999)
- Daraus ergeben sich für die Koordination von Netzwerken einige besondere Herausforderungen, die sich in der Erarbeitung von tragfähigen Entscheidungen im Besonderen zeigen. Zu den am häufigsten genannten Netzwerkproblematiken gehören: mangelnde Verbindlichkeit und geringes Engagement in der Umsetzung.
- Die Autonomie der Partnerorganisationen und die Notwendigkeit, letztendlich immer Win-Win-Situationen herzustellen, lässt alle Mehrheitsentscheidungen unwirksam bzw. zu nicht tragfähigen Entscheidungen werden, solange es eine relevante Minderheit gibt.
- Mehrheitsentscheidungen kommen nicht nur durch Abstimmungen zustande. Es handelt sich auch immer dann um Mehrheitsentscheidungen, wenn eine Gruppe nur wenig am Prozess beteiligt war oder eher schweigt und nur kein deutliches NEIN äußert.
- Für Entscheidungen im Netzwerk, die eine Zustimmung und/oder Mitwirkung aller Akteure benötigen, braucht es einen wirklich getragenen Konsens. (Inhaltliche Ausrichtung des Netzwerkes, Öffnung für neue Partner, Öffentlichkeitsarbeit…
Methodik
Im Folgenden stelle ich eine Methode vor, die mit einem dialogischen Prinzip einen Konsens entstehen lässt, in dem sich alle beteiligten Akteure wiederfinden können.
Die konzentrische Methode ist aus unterschiedlichen Kontexten sicher bekannt, vielleicht unter anderen Namen wie Schneeballmethode oder 2 – 4 – 8 Methode. Etwas anders strukturiert wird sie auch in der Moderation von Zukunftskonferenzen eingesetzt.
Wer ursprünglich für diese Methode steht, konnte ich leider nicht nachvollziehen. Mein Kollege Dr. Joachim Bornhoff (Institut Mobile) und ich haben sie so für die Netzwerkarbeit weiterentwickelt und vielfach erfolgreich genutzt.
Zielsetzung
Entscheidungen für eine freiwillige Zusammenarbeit von Personen bzw. Organisationen erarbeiten, die von allen Akteuren getragen werden.
Erarbeitung von operativen Zielen im Rahmen eines Planungsworkshops, zu denen die Netzwerkakteure stehen können, auch wenn sie nicht von allen gemeinsam und in gleicher Weise umgesetzt werden müssen.
Teilnehmerzahl
8 bis 40 (bei mehr Personen muss die Methode etwas verändert werden)
Zeitrahmen
ca. 2,5 – 4 Stunden (hängt davon ab, wie viele 8er-Gruppen am Ende zusammenzuführen sind)
Räumliche Anforderungen und Material
- Ein Raum ohne Tische, damit Bewegung möglich ist.
- 4qm pro Person sind eine gute Orientierung
- Pro 8er-Gruppe eine Pinnwand und Flipchartpapier in ausreichender Menge, Tesakrepp und Schreibmaterial, Scheren, Klebestifte
Vorbereitung
- Für die einzelnen Arbeitsschritte Anleitungen auf DIN A4 schreiben, damit jede Gruppe diese vor sich liegen hat.
- Die Fragestellung bzw. das Anliegen konkret und genau auf ein Flipchart schreiben.
- Den Akteuren das Vorgehen vorstellen und wertschätzend erläutern, dass Netzwerke mit ihren besonderen Potenzialen eben auch besondere Vorgehensweisen benötigen, um es ausschöpfen zu können. (Siehe unten zu den Wirkweisen dieser Methode)
- Das Vorgehen am besten auf einem Flipchart visualisieren, einmal im Ganzen erläutern und ankündigen, dass es zu jedem Schritt eine genaue Anleitung gibt.
- Es sollte bedacht werden, ob im Raum die Personen anwesend sind, die diese Frage (verbindlich) beantworten können.
Sind (auch) Organisationsvertreter/innen anwesend, die noch Rücksprache vor einer endgültigen Entscheidung treffen müssen oder wollen, ist hierfür ein Prozedere zu vereinbaren. Es kann zum Beispiel vereinbart werden, in dieser Sitzung eine Entscheidung vorzubereiten. (10 Minuten)
Vorgehen
1. (ca. 10 Minuten)
Jeder Akteur wird zunächst aufgefordert, zu der formulierten Frage eine eigene Antwort/Entscheidung zu finden.
Sind im Netzwerk zwei oder mehrere Vertreter/innen einer Organisation, so sollten diese den ersten Schritt gemeinsam tun. (Dann können aus den 10 Minuten auch schon mal 15 Minuten werden)
2. (ca.20 Minuten)
Im nächsten Schritt gehen immer zwei Personen, bzw. die Vertreter/innen zweier Organisationen zusammen und stellen sich gegenseitig ihre Antworten, Ideen, Ziele vor und erläutern ihre Beweggründe und Vorstellungen. Ziel ist es herauszuarbeiten, wozu beide Seiten „JA“ sagen können, was beide mittragen können, welche Gemeinsamkeiten vorhanden sind. Diese Aussagen werden nun in Sätzen groß auf ein Flipchart geschrieben.
Worauf sich diese beiden Akteure nicht verständigen konnten, was ihnen aber wichtig ist, wird auf ein zweites Flipchartpapier geschrieben.
3. (ca. 30 Minuten)
Im dritten Schritt gehen zwei Zweier-Gruppen zusammen und stellen sich gegenseitig zunächst ihre „Konsensaussagen“ vor. Auch hier geht es wiederrum um das Verstehen, Ausloten von Zielen, Beweggründen, Möglichkeiten und Grenzen und Befürchtungen. Ergebnis dieser Phase ist ebenfalls wieder ein Flipchartpapier mit den Aussagen, zu denen alle vier Akteure JA sagen können. Dazu können die Flipcharts der ersten Runde in die einzelnen Aussagen zerschnitten werden und auf ein gemeinsames Flipchartpapier geklebt werden. Die Aussagen, die nicht in den Konsens finden, können wiederrum den nicht konsensualen Aussagen zugeordnet werden, wenn sie denn sehr wichtig für einzelne Akteure sind.
4. (ca. 30 Minuten)
Der letzte Schritt in Kleingruppen findet in zwei Vierer-Gruppen statt. Hier ist es ratsam darauf hinzuweisen, dass zunächst jede Vierer-Gruppe eine Person benennt, die das eigene Konsenspapier vorstellt und erläutert, wie der Prozess gelaufen ist.
- Dann sollten für beide Gruppen zunächst Verständnisfragen geklärt werden.
- Gemeinsamkeiten suchen
- Unterschiede verstehen
- Varianten erarbeiten, zu denen alle acht Akteure JA sagen können.
- Die Aussagen, zu denen alle JA sagen können, auf Flipchartpapier- Streifen notieren und an eine Pinnwand hängen.
5. (ca. 30 – 60 Minuten)
Der letzte Schritt findet im Plenum statt (bei 8 – 12 Personen kann auch bereits der vierte Schritt im Plenum moderiert werden).
- Die Pinnwände mit den Konsens-Aussagen aus allen 8er-Gruppen werden nebeneinander gestellt und von jeweils einem Gruppenmitglied vorgestellt.
- Die anderen Akteure stellen ihre Verständnisfragen.
- Danach werden alle aufgefordert zu benennen, wo sie Überschneidungen und Gemeinsamkeiten erkennen.
- Ähnliches wird zusammengehängt (Dafür ist es wichtig, dass jede Aussage auf einem einzelnen Papierstreifen steht).
- Jede einzelne Aussage durchgehen und im Plenum fragen, ob das so von allen getragen werden kann?
- Wenn es Verneinungen gibt, kann der Moderator noch fragen, wozu genau jemand Nein sagt und ob es vielleicht Bedingungen gibt, unter denen er oder sie JA sagen kann. Hier gilt es einen Verhandlungsprozess zu moderieren
Am Ende stehen eine Sammlung von vereinbarten Aussagen und eine Sammlung mit Aussagen, die nicht im Konsens vereinbart werden konnten.
Anmerkungen
Insbesondere der letzte Schritt im Plenum ist ein Nadelöhr und wird oftmals als anstrengend empfunden. Es ist sehr wichtig, diese Stelle im Prozess positiv zu konnotieren und als wichtigen Prüfstein für das Netzwerk zu betrachten. Gleich welches Ergebnis erzielt wird, es ist genau das, was zurzeit für das Netzwerk als Ganzes machbar ist. So können Erwartungen realistisch und spätere Enttäuschungen vermieden werden. Zumal die nicht gemeinsamen getragenen Ideen und Aussagen nicht verloren gehen sollen, sondern als Fundgrube für die weitere Zusammenarbeit betrachtet werden sollten. Zusätzlich können diese Anregungen für Kooperationen in Teilnetzwerken oder bilaterale Kooperationen genutzt werden.
Wirkweise
Ziel dieses Austauschprozesses ist es, möglichst allen viel Verstehen und Bewegung zu ermöglichen:
- Verstehen der organisationalen Hintergründe, Grenzen und Möglichkeiten
- Motive kennen und verstehen
- Zeit für innere Bewegung
- leichteres Äußern von Vorbehalten und Befürchtungen
- Beteiligung aller
- nicht verlieren, sondern finden
- Nicht wenige, schnelle und „lautere“ setzen sich durch.