Markenbildung als Motor für Kirchenentwicklung
Das Gespräch führte Jan-Christoph Horn.
Herr Meffert, Sie haben sich 2014/2015 eingehend mit der Zufriedenheit von Mitgliedern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Seelsorge mit ihrer Kirche beschäftigt. Damit sind Aussagen über die Markenerwartungen von Christinnen und Christen gegenüber der institutionell verfassten Kirche möglich. Wie lauten die drei wichtigsten Erkenntnisse?
Zufriedenheit ist ein wichtiger Faktor. Zufriedenheit, die die Bindung zur Kirche stärkt und intensiviert. Ich weiß, Christus hat zwar nicht gefragt: „Seid ihr zufrieden?“, aber sein Handeln war doch darauf ausgerichtet, dass die Menschen mit seinem Heilsversprechen das bekommen, was ihnen hilft – manchmal erst auf den zweiten Blick. Und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möchten zufrieden sein, was sie nicht immer sind.
Sodann: Gemeinschaft, Beziehung. Ich denke an eine Beerdigung, die ich miterleben musste. Der Seelsorger hat in seinen Worten keinerlei Beziehung zu dem Verstorbenen hergestellt, er hatte kein sichtbares Interesse an der versammelten Gemeinschaft. Dabei wäre doch das seine Aufgabe gewesen: Christi Botschaft in diese konkrete Situation hineintragen. Klar, dass die Enttäuschung der Trauergemeinde groß war. So etwas ist kaum wieder gutzumachen.Der Verbesserungsbedarf liegt in der Ernstnahme des Auftrags.
Schließlich: Dass Kirche ihren Auftrag ernst nimmt. Es wird nicht erwartet, dass Kirche in den „Wettbewerb“ geht, in Konkurrenz oder Abgrenzung zu anderen, sondern ihren Auftrag ernst nimmt. Darin gilt es zu investieren. Der Verbesserungsbedarf, so darf ich hier schon mal bewerten, liegt nicht in einem anderen Auftrag, sondern in der Ernstnahme des einmal gegebenen Auftrags und, in der Folge dessen, der Bindung und Beziehung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu den „Kunden“. Das meldeten Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter und Mitglieder zurück. Pointiert gesagt: Kirche muss nichts Anderes machen, aber sie muss das, was sie macht, worin sie auch anerkannt ist, gut machen.
Was hat Sie am meisten überrascht?
Dass die Einschätzung der Qualität der Dienste zwischen der Selbsteinschätzung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und der Beurteilung durch die Kirchenmitglieder zum Teil weit voneinander entfernt ist. Fachlich sprechen wir von einer Differenz zwischen „Inside-Out“ und „Outside-In“, die problematisch ist. Die Seelsorgerinnen und Seelsorger dachten, die Leute sind viel zufriedener, als sie es wirklich waren. Da kann ich nur sagen: Die kennen ihre Kunden nicht! Da gab es viele Fehleinschätzungen, was Menschen heute von Kirche erwarten. Dabei ist es wie gesagt der klassische Kern: Gottesdienst, Seelsorge, Katechese, caritative und soziale Dienste – gar nichts groß anderes.
Was ist Ihrer Meinung nach der Grund für diese Differenz?
Es gibt viele Gründe dafür. Im Vordergrund stehen für mich aber zwei Dinge: Es gibt zu wenig Kontakt der Seelsorgerinnen und Seelsorger – nicht nur der Priester – mit der Lebenswelt der Menschen. Und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter laufen mit einer tendenziell negativen Einschätzung der Kirche insgesamt herum, sehen sich selber aber als gutes Beispiel, wie es auch anders sein könnte. Sie bewerten ihr eigenes Handeln besser als das der Kirche insgesamt, v.a. das der Leitung.
Ich merke, Sie überlegen immer kurz, ob sie das Wort „Kunde“ gebrauchen sollen.
Das stimmt. Aber welches Wort passt denn am besten? Wissen Sie, im Marketing reden wir natürlich von Kunden als Zielgruppe für z.B. unternehmerisches Handeln. Im Blick auf die Kirche ist der Begriff schwieriger zu platzieren, nehmen Sie noch das Wort „Gläubige“ hinzu. Kirchenrechtlich gibt es einen Mitgliederstatus und unsere Studie hat auch nur Mitglieder in diesem Sinne befragt. Aber Kirche ist zu allen Menschen gesandt, die dann in einem unterschiedlichen Beziehungs- und Bindungsverhältnis zur Kirche stehen.
Die Schwierigkeit, die Zielgruppe genau zu fassen ist aus Marketingsicht immer mitzudenken. Gläubige, Engagierte, Kirchenferne … das sind alles Zuschreibungen. „Kunde“ heißt einfach: Menschen als Partner mit quantifizierbaren Referenzpunkten zum Beispiel gegenüber dem Erleben eines Heilsversprechen, für das Kirche in Ihrer Erwartung zu stehen hat.
Zurück zu den Ergebnissen Ihrer Studie. Was sind Ihre Hinweise, was zu tun ist?
Das kann man auf drei „I“-Worte bringen:
- Interaktivität, also Beziehung,
- Integration, also Menschen einzubeziehen in den Gestaltungsprozess kirchlicher Aufgaben,
- Integrität, also Ehrlichkeit und Verlässlichkeit.
Aber ich muss das noch etwas ausführen: Ich habe schon von „Zufriedenheit“ gesprochen. Das ist für uns im Marketing ein Schlüsselwort. In der Zufriedenheit spiegelt sich eine positive kognitive und affektive Einstellung. Hätten wir gefragt, wann ein Gottesdienst gut ist, hätten wir keine für die Kirchenentwicklung hilfreichen Antworten bekommen, sondern womöglich ein Wunschkonzert von Meinungen. So haben wir deshalb gefragt: Was charakterisiert einen Gottesdienst, damit sie mit ihm zufrieden sind? Oder: Was tut eine Seelsorgerin, ein Seelsorger, damit die Kirchenmitglieder, – sprich „Kunden“ – zufrieden sind?
Wann sind die Kirchenmitglieder oder eben die Menschen zufrieden mit dem Seelsorgepersonal?
Zufriedenheit entsteht, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kompetent, glaubwürdig und empathisch erlebt werden. Oder anders ausgedrückt: Wenn die angebotenen kirchlichen Dienste mit den Erwartungen der Menschen übereinstimmen, vielleicht sogar übertreffen.
Das klingt ja fast zu einfach.
Ich glaube, das verändert die Personalbegleitung und -schulung mehr, als man zunächst denkt. Aber Sie haben Recht: Die Diskussion über Männer, Frauen, Priester, Laien in der Seelsorge muss man mit den „Kunden“ hinsichtlich ihrer Zufriedenheit nicht führen.Die Diskussion über Männer, Frauen, Priester, Laien in der Seelsorge muss man mit den „Kunden“ nicht führen.
Aus meiner Sicht ist für die Erhöhung der Zufriedenheit von Kirchenmitgliedern sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern etwas ganz einfaches zu tun, womit sich die verfasste Kirche aber sichtlich schwer tut: Dass bei den Leuten ankommt und nachvollziehbar wird, was die Kirche an Diensten tut und das ein Kontakt zur Kirche möglich ist. So nach dem Motto: „Wir kennen uns. Du kannst darauf zurückgreifen.“ Jedes Unternehmen würde dahinein massiv investieren. Kirche meint immer noch, das wäre nicht nötig oder sie müsste besondere Dinge zeigen.
Und wie gelingt das in Zeiten der Ausdünnung des hauptberuflichen Personals und größeren pastoralen Territorien?
Nicht aufhören, in Beziehung zu bleiben. Sicher anders als der Landpfarrer alter Schule, kreativer und adaptiver.
Haben Sie strategische Handlungsempfehlungen für die Kirchenleitung?
Erstens: Diejenigen stärken, die motiviert und engagiert sind. Diese Menschen als Botschafter und wichtigstes Potential verstehen. Und auf Menschen zugehen und sagen: “Wir möchten dich dabei haben.”
Zweitens: Lasst die Leute professioneller werden, qualifiziert und ermächtigt sie. Der Grad des „Inside-Out“ muss erhöht werden, also das, was in den Aktiven vorgebildet ist, aber nicht oder wenig abgerufen wird.
Drittens: Nutzt die Interaktivität der digitalen Medien für die Beziehungsarbeit. Im Internet findet – vor allem bei jüngeren Menschen – doch heute ein beachtlicher Teil der Kommunikation des Lebens statt.
Viertens: Setzt mit Bedacht Schwerpunkte, bündelt das personale Angebot in der Fläche. Finanzielle Ressourcen werden knapper, die Zusammenlegungen machen Beziehungen schwieriger. Darauf muss mit geeigneten Maßnahmen reagiert werden.
Müssen sich Rollenbilder von Seelsorgern ändern?
Ja, natürlich. Ein verändertes Verständnis der Struktur und Prozesse in der Organisation von Kirche hat da Auswirkungen. Es kommt nicht mehr nur der Pfarrer, sondern er arbeitet mit einem Team qualifizierter, ehrenamtlicher Mitarbeiter. Man handelt nicht mehr anweisungsbezogen – „Da ist der und der zuständig“ – sondern im Dialog. Solche Arbeitsweisen sind noch neu in Kirche, aber Kirche muss hier anders und besser werden, vor allem Initiativen fördern und mehr ermöglichen.
Sie haben seinerzeit auch mit den Führungsverantwortlichen der Kirche gesprochen. Wie war das?
Kirche muss hier anders und besser werden
Es gab anfangs eine gewisse Distanz zwischen uns Marketingwissenschaftlern und den Kirchenverantwortlichen. Da wurde gesagt: „Wir haben doch nichts zu verkaufen.“ Was uns aber in den Gesprächen zugesprochen wurde, ist unsere Außenperspektive zu nutzen, in Freiheit vielleicht auch nicht so angenehme Dinge mal zu benennen.
Mit der Zeit entstand ein offener Gedankenaustausch, in dem geschaut wurde, dass alle Vorschläge, die dem Auftrag von Kirche stützen, zunächst mal gut sind. Die Rückmeldungen von uns Marketingwissenschaftlern haben den Anstoß gegeben, dass die Leitung zum Nachdenken und mit uns ins Diskutieren gekommen ist. Es ging schließlich mehr um das Bewusstsein, dass Wandel sowie Veränderung mehr braucht als Marketing, Kampagne, Werbung.
Welchen Impuls in Richtung Leitung möchten Sie heute noch mal wiederholen?
Dass es bei allem „Bottom-up“ der Entwicklung von Veränderung auch ein Vorangehen der Führung geben muss. Das sind gleichzeitige Prozesse. Ich wünschte mir mehr Risikobereitschaft für den kulturellen und strukturellen Wandel in der Kirchenorganisation. Diese muss von der Führung kommen.
Jetzt haben wir viel ausgehend von der Studie aus dem Jahr 2014/2015 gesprochen. Schauen wir noch mal Allgemeiner. Zunächst: Was ist Marketing eigentlich?
Marketing hat etwas mit marktorientierter Unternehmensführung zu tun. Für den Erfolg eines Unternehmens ist es wichtig, den Grundauftrag eines Unternehmens und seine Wirtschaftlichkeit mit den Bedürfnissen von Menschen in Einklang zu bringen, dass Selbst- und Fremdbild übereinstimmen.Ich wünschte mir mehr Risikobereitschaft. Diese muss von der Führung kommen.
Der Beitrag meiner Disziplin, des Marketings, ist zu fragen: Wie können wir die Menschen mitnehmen auf den Weg, den wir für uns als richtig erkannt haben? Wie erreicht die Marke – die ja ein Symbol und als Orientierungs- und Vertrauensanker ein Versprechen ist – die Menschen? Marketing schaut hier auf sinnvolle und mögliche Allianzen. Das Marketing ist eine verhaltensorientierte Wissenschaft. Durch Marktforschung schaffen wir die Möglichkeit, an Informationen zu kommen und umgekehrt kennen wir Instrumente, um Informationen in den Markt zu bringen.
Sie merken: Es geht beim Marketing gar nicht allein um bunte Werbung, nicht um unmittelbare, kurzfristige Maßnahmen und Aktionen. Marketing ist ein gedanklicher Prozess. Marketing ersetzt nicht den Grundauftrag der Unternehmung.
Marketing in meinem Verständnis trägt zudem auch ein ethisches Korrektiv vor der Gefahr der Manipulation, der emotionalen Instrumentalisierung von Menschen für einen Unternehmenszweck in sich. Nehmen Sie als Beispiel die Influencer. Das kann eine gute Sache sein, wenn es glaubwürdig ist. Aber nicht, wenn die Masse von „gekauften Leuten“ manipuliert wird. Das spüren die Menschen – erst mit der Zeit, aber dann ist das Vertrauen verloren.
In diesem Verständnis von Marketing mal weitergefragt: Was ist Kirchenmarketing?
Kirchenmarketing im Sinne der Philosophie und Denkhaltung einer „marktorientierten“ Führung lässt sich auch auf die Kirche als nichtkommerzielle Organisation übertragen. Es geht dabei um die Gestaltung von Beziehungen mit dem Ziel der Vermittlung religiöser Werte an aktuelle und potentielle Kirchenmitglieder. Kirchliche Dienstleistungen sollen in Austauschprozessen zur Erfüllung des Kirchenauftrags und zur Befriedigung der Bedürfnisse dieser Zielgruppen beitragen. So gesehen kann Marketing in einer internen und externen Perspektive als Moderator und Promoter auch zum kirchlichen Wandel beitragen.
Gibt es eine biblische Erzählung von der Sie sagen: „Wow, das ist mal gelungenes Marketing!“?
Apostel Paulus hat Marketing betrieben, er war Markenbotschafter für die Mission der Kirche. Authentisch, kommunikativ, ehrlich.
Was ist für Sie der Markenkern der Kirche?
Für mich persönlich: das Kreuz, die Heilszusage. Und das missionarisch-verkündende Tun. Den Menschen zu dienen mit Wertvorstellungen, die der Zukunft offen entgegensehen, gegen die Angst.
Die Kirche ist auch Volk Gottes. Eine Gemeinschaft. Da bin ich aber biographisch geprägt von dem 800-Seelen-Dorf, aus dem ich komme. Ich denke auch an die gesellschaftliche Bedeutung, welche die katholische Kirche damals im Nachkriegsdeutschland hatte. Heute ist die Herausforderung, hier neu zu formulieren, wie bei den Volksparteien. Es gilt sich neu auf die Vision zu fokussieren.
Spielen konfessionelle Unterschiede eine Rolle?
Es gilt sich neu auf die Vision zu fokussieren.
Es gibt auf jeden Fall eine Differenzierung in den kirchlichen Regeln und eine besondere Kultur, wie z.B. die Barockkirchen in Süddeutschland. Das hat die evangelische Kirche nicht so geprägt. Dafür hat die evangelische Kirche heute offensichtlich eine höhere gesellschaftliche Relevanz.
Ich verstehe Kirche als eine große arbeitsteilige, segmentierte Institution: Es gibt Caritas, Schulen, die Konfessionen. Es stellt sich die Frage, wie sehr gehören diese kirchlichen Bereiche und Aktivitäten zusammen? Ich plädiere für Ganzheitlichkeit, Zusammensehen, Integration. Es gibt viele Beiträge zum Grundauftrag, die in einem ganzheitlichen Markenauftritt der katholischen Kirche ihren Niederschlag finden müssten.
Damit ändert sich das Kirchenbild, oder?
Genau. Und es ist gut zu überlegen, ob man Schulen oder Krankenhäuser aufgibt, weil man selber das Bild hat, dass der Kern von Kirche woanders liegt. Aber ich kann doch nicht ignorieren, dass die Leute darin Kirche sehen. Das zu verstehen ist für die Führung von Kirche wichtig.
Mögen Sie den letzten Punkt ein wenig ausführen?
Ich empfehle, nicht überall das Risiko zu sehen, Risikopotentiale abzuwehren, sondern auf Chancen zu fokussieren. Im gerade genannten Sinne Kirche als kooperatives soziales System, als „Eco-System“, als werteorientierte Verbindungsinstanz zu verstehen – und entsprechend zu führen. Dadurch entsteht eine ganz eigene Weise der Wertschöpfung: zwei plus zwei macht dann fünf.
In diesem Sinne ist eine auf die gemeinsame Zielerreichung ausgerichtete Zusammenarbeit zwischen Bereichen und Gemeinden bei aller Förderung innovativen Wettbewerbs für eine zukunftssichernde Entwicklung der Kirche wichtig. Gute Ideen und Konzepte müssen zugänglich, transparent sein und Andere zum aktiven Handeln ermutigen. Dabei sind die Egoismen des Einzelnen zu überwinden.
Was unterscheidet den Schaukasten vor der Kirche oder die Homepage der Pfarrei von dem, was Sie eine Marketingstrategie nennen würden?
Marketing ist nicht nur das Bunte. Marketing ist das Wahrnehmen der Dinge, die einen Einfluss auf das Vertrauen und die Bindung zur Kirche als Marke haben. Und das sind nicht nur die Dinge, die ich mir aussuche, die ich gerne ins Schaufenster stelle, da muss ich breit schauen: Heute hat Maria 2.0 eine Wirkung, die bevorstehende Amazonassynode, früher waren es die Affären um Bischof Tebartz van Elst, natürlich die Missbrauchsstudien. Auch diese Aspekte müssen im offenen Dialog in das Gesamtbild der Kirche mit einbezogen werden.
Welche Professionalität braucht es in Kirche, um die Identität aus dem Evangelium und die Fragen von Organisation, Prozessen und Produkten gut aufeinander beziehen zu können?
In die Ausbildung und Personalentwicklung gehört der Blick von den Anforderungen her Personal zu qualifizieren. All das, was ich schon gesagt habe: Beziehung, Kommunikation, Integrität, umfassende Auskunftsfähigkeit über das, was Kirche tut. Das heißt: Nicht nur von sich selber erzählen, sondern auch Wissen über die Probleme der Kirche, Interaktionsfähigkeit vor allem in den sozialen Medien als relevante Kontaktform zu vielen Menschen heute. Dies erfordert sensible Kenntnisse der jeweiligen Situation und eine richtige Einschätzung, was Menschen heute von kirchlichen Diensten erwarten: Eine gute Predigt in einer kalten Kirche ist sicherlich besser und wirksamer als eine schlechte Predigt in einer geheizten Kirche.
Ich finde auch, man sollte ein Beschwerdemanagement einrichten. Beschwerden sollte man positiv sehen. Wir reden bei uns auch vom „Reaktionsmanagement“. Es ist doch wichtig zu wissen, was da draußen los ist und Rückmeldungen und Anregungen zu nutzen.
Es braucht lebendige Interaktion mit den Dingen, die in der Welt passieren.
Allein der innen gerichtete Blick der Kirche genügt nicht mehr. Es braucht lebendige Interaktion mit den Dingen, die in der Welt passieren – auch ethisch, politisch, sozial. Ganz lokal betrachtet, denn „all business is local“. Es ist nicht gut, die Dinge vor Ort zu übergehen, immer nur auf „die da oben“ zu schauen, ohnmächtig zu sein, zu sagen: „Wir können nichts tun“, sondern den Grundauftrag der Kirche auf sich anzuwenden: Was davon können wir hier vor Ort umsetzen, vertiefen oder ergänzen? Vieles passiert in der Welt, das man nicht beeinflussen kann. Entscheidend ist: Reflektieren Sie das auf den eigenen Grundauftrag hin, überlegen Sie: Wie erfahren wir, was die Leute bei uns denken? Und: Was können wir tun, damit sie mit uns darüber in Kontakt treten oder bleiben? So, wie Themen auf einem Kirchentag diskutiert werden.
Kleine Kirchentage in der Stadt?
Sehr gut! Das sind Foren mit Kontakt, mit Interaktion. Greifen Sie dort die Themen auf, die die Menschen bewegen, nicht nur religiöse, sondern insgesamt existentielle und tagesaktuelle: Alt-werden, Flüchtlinge, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Fairness und Manipulation im Sport und so weiter. Gehen Sie in die relevanten Themen. Kirche steht hier in der Betrachtung der Leute durchaus für Interesse am Erfahrungsaustausch, Dialogfähigkeit, Netzwerkkenntnis und hat eigentlich das Know-How, so etwas auf die Beine zu stellen. Dabei kann sie eigene christliche Werte und Anschauungen einbringen.
Angenommen, Sie würden heute als junger Mensch in einer Pfarrei eine Arbeit in der Pastoral aufnehmen. Was würden Sie als erstes angehen?
Als Verantwortlicher in einer Pfarrei bin ich Ermöglicher und führe partizipativ. Ich bin nicht der aufgabenorientierte Macher: die nächste Predigt, die nächste Katechese.Als Verantwortlicher in einer Pfarrei bin ich Ermöglicher und führe partizipativ.
Ich würde mich über den Zustand der Gemeinde gut informieren und über deren Stärken und Schwächen, Chancen und Risiken mit ausgewählten Kirchenmitgliedern Workshops machen. Ich würde versuchen Teams zu bilden mit haupt- und ehrenamtlichen Mitgliedern, um Prioritäten für die gemeinsamen zukünftigen Aufgaben zu erarbeiten. Dabei sind auch Überlegungen für eine Zusammenarbeit mit externen Partnern wichtig. Über die Ergebnisse der Teamarbeit würde ich die Mitglieder der Kirchgemeinde in geeigneter Form informieren und sie als Mitgestalter in die zukünftige Entwicklung einbeziehen. Unter dem Motto: „Wir gestalten die Zukunft unserer Gemeinde“. Die teamorientierte Zusammenarbeit sollte längerfristig ausgerichtet sein und kontinuierlich erfolgen.