Kirche, das sind Christen, die miteinander vernetzt sind
Frank Reintgen: Es gibt auf dem Markt bereits eine große Vielfalt von Firmkursen. Warum braucht es noch einen weiteren? Was ist das Alleinstellungsmerkmal Ihres Kurses?
Klaus Vellguth: Tatsächlich gibt es zahlreiche Firmkurse, mit denen Jugendliche auf das Sakrament der Firmung vorbereitet werden. Oft gehen die Kursmodelle aber an der Lebensrealität junger Menschen vorbei. Damit Firmkatechese im dritten Jahrtausend gelingt, muss sie den Glauben an Jesus Christus zuallererst in den Lebenswelten der Jugendlichen verorten, die sich gerade in den vergangenen Jahren rasant verändert haben. Insbesondere die scheinbar unbegrenzte Weite des Internets sowie der Siegeszug der sozialen Netzwerke haben die Erfahrungswelt junger Menschen in den letzten Jahren entscheidend und nachhaltig verändert. Und das beinahe rund um die Uhr: Permanent sind junge Menschen heute über Laptop, Tablet oder Smartphone online.
Reintgen: Was heißt das für einen Firmkurs?
Vellguth: Ein Firmkurs, der im Internet-Zeitalter offline bleibt, manövriert sich selbst zu Beginn des dritten Jahrtausends in ein katechetisches Abseits und ist für die meisten Jugendlichen schlicht out. Aus diesem Grund wählt „Firmung vernetzt“ einen mystagogischen Ansatz, der konsequent bei den durch das Internet geprägten Erfahrungen und Lebenswelten junger Menschen ansetzt. Die im Handbuch „Firmung vernetzt“ vorgeschlagenen Bausteine tauchen in die Welt der Jugendlichen ein und nutzen Methoden und Medien aus der Welt junger Menschen.
Selbst die Jugendlichen, die sich in einer Gemeinde engagieren und im Rahmen ihrer Entwicklung eine religiöse Sozialisation erfahren haben, werden nur wenige übereinstimmende Eigenschaften aufweisen, die sie von ihren Altersgenossen unterscheiden.
Reintgen: Auf welche Situation, auf welche Herausforderungen versucht Ihr neuer Firmkurs zu reagieren?
Vellguth: Als wir Autoren des Firmkurses anfangs überlegten, auf welche Herausforderungen einer zeitgemäßen Firmkatechese der Kurs „Firmung vernetzt“ antworten soll, hatten wir schnell die uns wichtigen Herausforderungen benannt: Der Firmkurs soll an den Lebensgewohnheiten junger Menschen anknüpfen und Spaß machen. Jugendliche sollen einen fröhlichen Glauben kennen lernen. Die Jugendlichen sollen erfahren, dass es gut tut, authentisch zu leben. Die Firm-Vorbereitung soll Mut machen. Und natürlich stehen die Erfahrungen von Jugendlichen im Mittelpunkt. Wichtig war uns bei der Konzeption des Kurses auch die Vernetzung der Jugendlichen untereinander.
Reintgen: Kann man überhaupt von den “Jugendlichen” sprechen? Sind Jugendliche eine homogene Zielgruppe? Inwiefern berücksichtigt dies Ihr Firmkurs?
Vellguth: Wenn von mir nun die Beschreibung des „Jugendlichen an sich“ erwartet wird, muss ich leider passen: Glücklicherweise gibt es diesen Jugendlichen nicht, sondern jeder Jugendliche muss in seiner Individualität wahrgenommen und akzeptiert werden. Dies ist die für die kirchliche Jugendarbeit wichtigste und zugleich banalste Erkenntnis. Die Jugend hat sich im Verlauf der fortschreitenden Modernisierungsprozesse derart differenziert, dass eine generalisierende Aussage über sie kaum mehr möglich ist. Selbst die Jugendlichen, die sich in einer Gemeinde engagieren und im Rahmen ihrer Entwicklung eine religiöse Sozialisation erfahren haben, werden nur wenige übereinstimmende Eigenschaften aufweisen, die sie von ihren Altersgenossen unterscheiden. Aber auch wenn es den Prototypen eines heutigen Jugendlichen nicht gibt, kann dennoch etwas über den religiösen Gemütszustand der Jugend ausgesagt werden. Jugendliche sind heute neugierig auf Leben, sie sind ganz selbstverständlich mit Internet, sozialen Medien und Handy aufgewachsen und sie integrieren in ihre Identität sowohl Elemente der Online- als auch der Offline-Realität.
Der Kurs „Firmung vernetzt“ vermittelt den Jugendlichen kein Kirchenbild, er will den Jugendlichen stattdessen eine Kirchenerfahrung ermöglichen: Kirche, das sind Christen, die miteinander vernetzt sind.
Reintgen: Welches Ziel verfolgen die einzelnen Angebote des Firmkurses „Firmung vernetzt“?
Vellguth: Ziel der Bausteine ist es, die Jugendlichen untereinander ins Gespräch zu bringen und sie anzuregen, sich über ihr Leben und ihren Glauben auszutauschen. Die Jugendlichen sollen Glaubensspuren in ihrem eigenen Leben entdecken und ihnen nachgehen, um so zu erleben, dass ihr (manchmal vielleicht kleiner, oft aber auch großer) Glaube ein Teil des Glaubensschatzes der Kirche ist. Im Austausch über die eigenen Erfahrungen sollen die Jugendlichen sprachfähig im Glauben werden und lernen, den Glauben in eigenen Worten, Empfindungen und Handlungen neu zur Sprache zu bringen.
Reintgen: Welches Verständnis von Kirche liegt dem Kurs zugrunde? Welches Kirchenbild vermittelt der Kurs?
Vellguth: Der Kurs „Firmung vernetzt“ vermittelt den Jugendlichen kein Kirchenbild, er will den Jugendlichen stattdessen eine Kirchenerfahrung ermöglichen: Kirche, das sind Christen, die miteinander vernetzt sind. Durch soziale Medien, online über das Netz – aber eben auch durch persönliche Begegnungen, durch Gespräche, intensive Begegnungen.
Reintgen: Mal angenommen, in Deutschland würden zahlreiche Kirchengemeinden Ihren Firmkurs nutzen. Würde man in diesen Gemeinden eine Veränderung bemerken?
Vellguth: Ja, der Firmkurs verändert nicht nur die Jugendlichen selbst, sondern auch die Katecheten und die Gemeinden. Viele Katecheten werden die frischen Glaubenserfahrungen der Jugendlichen als eine Bereicherung des eigenen Glaubens erfahren. Und sich vom Lebensmut und der Offenheit der Firmlinge bereichern lassen. Eine Kirchengemeinde wird erleben, dass Jugendliche sich auch heute noch Lebens- und Glaubensfragen stellen und darüber nachdenken, was ihrem Leben Sinn schenkt. Und wenn die Jugendlichen sich auf ihrem Weg auch mit der Kirchengemeinde vernetzen dürfen, werden sie in der Gemeinde – zumindest immer wieder mal – für all ihre Sehnsüchte. Träume, Sorgen und Ängste eine Heimat finden.