022016

Foto: salvatore ventura

Editorial

Valentin Dessoy

Editorial 02-2016

Die junge Möwe sieht anders aus. Sie tanzt aus der Reihe, schaut in die falsche Richtung – oder etwa nicht? Können sich so viele ausgewachsene Möwen irren? Was ist normal? Wieviel Abweichung ist erlaubt? Müsste sie sich nicht einordnen? …

Wir leben in bewegten Zeiten. Die Wirklichkeit ist unübersichtlich, Entwicklungen lassen sich kaum noch überblicken, geschweige denn vorhersagen. Soziologen sagen, wir befinden uns an der Schwelle zur nächsten Gesellschaft. Die territorial und nationalstaatlich abgegrenzte Gesellschaft, wie wir sie kennen, funktional differenziert und dennoch überschaubar, die sich seit dem 16. Jahrhundert in dieser Form herausgebildet hat, sie vergeht. Welt bleibt. Die Revolution der Kommunikationsmedien macht Grenzen immer durchlässiger. Die Globalisierung holt uns ein: Fremde Kulturen und Religionen, aber auch Umweltzerstörung, Armut und Gewalt machen an unseren Grenzen nicht halt. Wir sind unaufhaltsam auf dem Weg zur globalen (Welt-)Gesellschaft.

Das verunsichert gewaltig. Es löst Ängste aus, die Kontrolle zu verlieren und selbst zu den Verlierern zu gehören. Einfache Lösungen haben Konjunktur: schwarz oder weiß, innen oder außen, gut oder schlecht. Verriegeln wir doch erst einmal unsere Türen und vernageln wir unsere Fenster. Einbuchten und ausgrenzen. Wütend, trotzig, blind. Schuld haben immer die anderen. Vielleicht hilft das? Unterkomplex im Denken, selbstbezogen in der Haltung, uniform im Verhalten. Es hilft für den Moment, aber vieles deutet darauf hin, dass wir uns nicht (mehr) abschotten können, um unser kleines Glück zu retten. Das wäre angesichts der globalen Umwälzungen naiv.

Was hat das mit Religion zu tun? Religion heißt „bedenken“, aber auch „zurückbinden“. Die eigene Existenz in etwas verankern, was jenseits des eigenen Zugriffs liegt und allem einen Grund, sicheren Halt und Sinn gibt. In diesem existentiellen Sinne ist Religion absolut und fundamental, ähnlich wie die Liebe. Gefährlich wird es immer dann, wenn sich Politik und Religion verbünden bzw. wechselseitig instrumentalisieren, wenn Religion den Anspruch auf gesellschaftliche Macht erhebt oder umgekehrt gesellschaftlichen Macht sich quasi religiös begründet oder Religion instrumentalisiert.

Religion – Treiber von Inklusion und Exklusion

Wir wollen aus aktuellem Anlass die Herbstausgabe 2016 dieser These bzw. daraus erwachsenden Fragen nachgehen: Ist Religion per se inklusiv oder exklusiv? Unterscheiden sich Religion im Blick auf ihre Tendenz, Inklusion bzw. Exklusion zu fördern? Welche Rolle spielt das Verhältnis von Religion und politischer Macht? Was kann man aus der Geschichte lernen? Und nicht zuletzt: Wie kann das friedliche Zusammenleben in einer Weltgesellschaft gelingen?

Diese Fragen sind hoch aktuell und politisch brisant. Man kann viel falsch machen in diesen Zeiten. Umso dringlicher ist der Dialog. Nur so können unterschiedliche Perspektiven zu Wort kommen und gehört werden. Nur so lernen wir, uns aufeinander zu beziehen, lernen wir Inklusion. Urteilen Sie selbst und geben Sie uns Rückmeldung dazu.

 

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