012011
Editorial
Editorial 01-2011
Liebe Leserinnen und Leser,
wer sich für etwas engagiert, sei es in der Kirche, in einer sozialen Einrichtung oder in einem Betrieb, sei es als Lehrer/in, Arzt/Ärztin oder als Politiker/in, tut das, weil er oder sie davon überzeugt ist, dass es eine Zukunft gibt, für die sich der Einsatz lohnt. Angst vor der Zukunft, Verlust von Visionen und Träumen, Verzicht auf Wandlung und Entwicklung lähmen auf Dauer jegliches Engagement, zerstören die Lebensfähigkeit sozialer Systeme. Mit futur2 starten wir ein Projekt, das sich mit der Zukunft unserer Gesellschaft an der Schnittstelle unterschiedlicher gesellschaftlicher Funktionssysteme befasst.
Wir sind davon überzeugt, dass es in Kirche und Gesellschaft eine gute Zukunft gibt, dass Gott „eine neue Erde bereitet, auf der die Gerechtigkeit wohnt, deren Seligkeit jede Sehnsucht nach Frieden in den Herzen der Menschen erfüllt und übertrifft,“ wie das zweite Vatikanische Konzil sagt (Gaudium et Spes 39). Wir sind gleichzeitig davon überzeugt, dass es der systematischen Reflexion, der diskursiven Auseinandersetzung und der experimentellen Erprobung dessen bedarf, was eine bessere Zukunft ausmachen und wie sie gestaltet werden kann. Daher haben wir den Titel futur2 gewählt. Er soll signalisieren, dass die Zukunft auch entscheidend davon abhängt, was wir getan haben werden, um sie zu gewinnen.
Die Welt um uns herum verändert sich rasant. Ständig müssen wir uns neu orientieren und ausrichten. Das gilt auch für soziale Systeme und die Gesellschaft insgesamt. Angesichts von Komplexität und Dynamik gesellschaftlicher Prozesse stehen Institutionen, Organisationen und Unternehmungen, mithin auch Kirche, dauerhaft vor der Herausforderung, strategisch zu denken und zu handeln, im Dialog der unterschiedlichen Interessensträger Wege zu suchen, die eigene Zukunft offen zu halten und den Wandel aktiv zu gestalten: Wo soll es langfristig hingehen? Welche Entwicklungsoptionen gibt es? Welche Entscheidungen stehen an? Welche praktischen Erfordernisse und Konsequenzen ergeben sich daraus? Wie kann die Praxis auf die gesteckten Ziele hin ausgerichtet werden? Wie können das Ganze und seine Teile auf Zielkurs gehalten werden?
Das allein genügt aber nicht. Zukunft lässt sich nicht linear herstellen. Soziale Systeme brauchen nicht nur die Fixpunkte in Vergangenheit und Zukunft, die Orientierung geben und Entscheidungen in der Gegenwart ermöglichen. Gebraucht werden Räume, in denen angstfrei nachgedacht und experimentiert werden kann. Gebraucht werden Erlaubnis, Ermutigung und Inspiration, festgefahrene Wege und eingespielte Muster zu verlassen, abzuweichen, um Neues zu erproben und dann aufgrund dieser Erfahrung Gutes von weniger Gutem zu unterscheiden. Strategie (Steuerung) und Innovation (Entwicklung) in Gesellschaft und Kirche sind die beiden Themen, um die es uns im Kern geht.
Mit futur2 starten wir ein Projekt mit offenem Ausgang. Es ist ein Dialogprojekt, mit dem wir Menschen in Kontakt bringen und vernetzen wollen, denen die Zukunft von Gesellschaft und Kirche am Herzen liegt, die Ideen und Kompetenzen mitbringen, den Wandel zu gestalten, oder aber auf der Suche nach neuen Wegen sind. futur2 ist als Online-Zeitschrift und Kommunikationsplattform konzipiert. In regelmäßiger Folge werden wir konzeptionell, methodisch oder praxisorientierte Artikel veröffentlichen. In Best-Practise-Beiträgen werden in Zusammenarbeit mit Prof. Martin Lörsch von der Katholischen Fakultät in Trier innovative Ansätze und Projekte vorgestellt. Hinweise auf Termine, eine Veranstaltungsübersicht und eine Literaturumschau sollen helfen, sich im Feld zu orientieren. Zu all dem brauchen wir den Austausch mit Ihnen, liebe Leserinnen und Lesern. Wir haben uns vorgenommen, Sie zu Wort kommen zu lassen. Wir möchten den Dialog über Wandlung und Entwicklung in Kirche und Gesellschaft anregen, ihre Ideen und Kompetenzen dabei ins Spiel bringen und Sie zum Experimentieren motivieren.
Wir sind Sozialwissenschaftler und Theologen, Organisations- und Personalentwickler. Wir wollen unsere eigenen Erfahrungen in der Entwicklung sozialer Systeme einbringen. Wir wollen Experten unterschiedlichster Herkunft zu Wort kommen lassen und wir laden auch alle Leserinnen und Leser ein, sich mit Texten und Diskussionsbeiträgen zu beteiligen.
Was Sie hier sehen, ist sozusagen unsere „Nullnummer“. Das Ganze ist noch im Aufbau begriffen und wird am Anfang sicher noch nicht optimal funktionieren. Nicht alle Rubriken sind gefüllt. Wir bitten Sie um kritische Rückmeldungen ebenso wie um Wünsche: Was sollen wir (anders) machen? Was wünschen sie sich? Ihre Anregungen wollen wir gerne berücksichtigen!
Dr. Valentin Dessoy, Mainz
Dr. Martin Lätzel, Kiel
Dr. Gundo Lames, Trier
Frank Reintgen, Köln