22018

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Praxis

Friederike Maier

Mut zu neuem Denken – Entwicklungen im Bistum Magdeburg

“Wenn sich Kontextbedingungen verändern, ist Innovation (Erneuerung) angesagt. Je stärker die Veränderungen sind, desto intensiver und systematischer muss nach alternativen Optionen Ausschau gehalten werden. Es geht um die gezielte Herstellung und experimentelle Erprobung von Unterschieden zur Verbesserung der System-Umweltreferenz. Systeme neigen allerdings dazu, am Status Quo festzuhalten. Für die Kirche kommt erschwerend ihre lange und erfolgreiche Tradition hinzu. Und theologisch ist die Offenbarungsgeschichte mit Jesus Christus abgeschlossen. Innovation ist für die Kirche daher keine leichte Übung. Sie ist an dieser Stelle doppelt herausgefordert.”1
   

„Innovation ist für die Kirche keine leichte Übung.“ Diese Feststellung Valentin Dessoys werden viele für die unterschiedlichen Ebenen von Kirche unterstreichen. So zeigt der Blick in die Pfarreien, dass die Aufrechterhaltung des Gewohnten und Liebgewonnenen sowie eine Fülle von Verwaltungsaufgaben bei Haupt- und Ehrenamtlichen viel Kraft und Zeit erfordern. Kraft und Zeit, die oft fehlen, um innovative Gedanken zu denken. 

Doch das Evangelium will immer wieder neu und frisch erfahren und verkündet werden. Dazu braucht es eine Fühlung mit dem Heiligen Geist, der die Kirche von innen beleben will,  und eine Berührung mit dem „Zeitgeist“, der sich in der Begegnung mit den Menschen zeigt. 

Das Evangelium will immer wieder neu und frisch erfahren und verkündet werden.

Im Bistum Magdeburg gibt es hoffnungsvolle Ansätze für Innovation. Dabei sind es gerade Menschen, die keiner christlichen Konfession zugehören, die inspirierend wirken: Schon viele Jahre gehört die Feier der Lebenswende – als alternatives Angebot zur Jugendweihe für konfessionslose Jugendliche – zu einem festen Angebot im Bistum, das Jugendliche gern nutzen und über das Verantwortliche in der Kirche neue Erfahrungen mit dem eigenen Glauben und mit den Fragen junger Menschen machen. Daneben ermöglichen Projektstellen wie die „Suchendenpastoral“ in Halle, die „Ö3-Praxis“ im Roncallihaus in Magdeburg oder die „JCP / Jugendcitypastoral“ in Weißenfels Einsichten, wie die Kirche ansprechbarer sein und das Leben in der Stadt mitgestalten kann und wie die christliche Botschaft im Miteinander von Christen und Konfessionslosen neue Bedeutung gewinnen kann. Christsein in einem weitgehend säkularen Umfeld bestimmt auch das Programm der katholischen Erwachsenenbildung, die ihren Schwerpunkt auf gesellschaftlich relevante Themen wie Demokratieförderung legt und damit mit aktuellen politischen Entwicklungen in Berührung ist. 

Neuerungen in der Kirche werden auch aus der Not heraus geboren. Da im Bistum Magdeburg in den nächsten Jahren immer mehr Pfarreien keinen eigenen Pfarrer mehr haben werden und eine weitere Zusammenlegung von Pfarreien nicht beabsichtigt ist, werden voraussichtlich viele Pfarreien in naher Zukunft von einem Team mit Ehrenamtlichen und einem Priester als „geistlichem Moderator“ (Spiritual) geleitet. Kollegial getroffene Entscheidungen werden dabei eine wichtige Rolle spielen. Zugleich ist ein spannender, bestimmt auch spannungsreicher Prozess damit verbunden, wie Macht und Verantwortung gelebt und geteilt und wie die Zusammenarbeit im Team und das Miteinander von Haupt- und Ehrenamtlichen gestaltet werden. Gewohnte Rollenbilder kommen dabei in Bewegung. Die Hauptamtlichen werden stärker als bisher eine „Haltung des Ermöglichens“ entwickeln müssen, um Menschen mit ihren Begabungen, Fragen und Wünschen wahrzunehmen und sie darin zu unterstützen, als Christen Verantwortung zu übernehmen.  

Kirche ist nicht an bestimmte Verhältnisse gebunden.

Der Blick auf die Leitung einer Pfarrei erfordert zugleich, die Basis aufmerksam wahrzunehmen. Im Bistum Magdeburg wird die Idee „VOlK“ (Vor Ort lebt Kirche) als ein Weg der lokalen Kirchenentwicklung weiter belebt. Menschen, die sich bewusst dafür entscheiden, der Kirche vor Ort ein Gesicht zu geben, werden darin gestärkt, sich ihrer Berufung bewusst zu werden und daraus das Leben vor Ort zu gestalten. An regelmäßig stattfindenden Begegnungstagen können sie sich miteinander austauschen, gegenseitig unterstützen und gute Ideen vernetzen. Das oft lähmende „noch“ (noch haben wir einen Pfarrer, noch gibt es bei uns Jugendliche, noch können wir regelmäßig Gottesdienst feiern …)  könnte dann an einigen Orten einer Haltung der Zuversicht weichen. 

Wie wird Innovation im Geist Jesu möglich? Kirche, so betont Bischof Dr. Gerhard Feige, ist nicht an bestimmte Verhältnisse gebunden. Sie kann überall – auch unter schwierigsten Umständen – Wurzeln schlagen, sich entfalten und ihrer Sendung gerecht werden. In diesem Sinn halte ich es für ein Gebot der Stunde, dass Menschen „guten Willens“ mit Freude am Evangelium und Lust am Gestalten wahrgenommen, wertgeschätzt und ermutigt werden. Ich bin überzeugt, dass im gemeinsamen Nachdenken, Beten und Experimentieren innovative, tragfähige Wege des Christseins gefunden werden. 

  1. Dessoy, V.: Kirche und Innovation – ein Widerspruch? Innovation als organisatorische und theologische Herausforderung. In: futur2, 2/2011

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