022017

Praxis

Ulrich Berens

Jesus würde Linux nutzen. Linuxuser in der Kirche (LUKI e.V.)

2001 habe ich über meine persönliche guten Erfahrungen mit Linux einen Artikel auf meine Webseite gestellt, der in folgender Frage mündete: “Gibt es eigentlich außer mir keine kirchlich engagierten Leute, die auch Linux einsetzen?”.

Das brachte mich als Katholiken aus Bayern via Email mit dem Protestanten Rainer Schmitz aus NRW zusammen, der auch Linux-Nutzer war. Gemeinsam „gründeten“ wir LUKi, indem wir rein über Email zunächst an einer Homepage bastelten, die dann Ende 2001 ans Netz ging. Das Echo war gewaltig, innerhalb von einem Vierteljahr nach Schaltung der Webseite gingen fast 1000 Emailanfragen ein! Eine Mailingliste entstand, immer mehr “feste” Mitstreiter kamen dazu. Und gemeinsam wurden einige Aktionen auf den Weg gebracht. Online-Medien berichteten damals über uns unter der Schlagzeile: „Tux geht in die Kirche“. (Tux ist das Linux-Maskottchen.)

Die Software auf unseren Kirchen-Rechnern ist weltweit geprägt durch Monopole, die oft mit unsauberen und z.T. mit kriminellen Mitteln durchgedrückt und behauptet werden – das betrifft auch uns, die wir damit ja in den Kirchen auch arbeiten (müssen).

All das – wie gesagt – entstand – ganz Internet 1.0 – nur via Internet und E-Mail. Verständlich, dass dann irgendwann die Zeit reif war, sich einmal „leibhaftig“ zu treffen. Das erste LUKi-Treffen war dann 2003 in Warburg, seitdem treffen wir uns mindestens einmal pro Jahr. 2004 kam dann der Verein LUKi e.V. dazu. Seitdem sind wir als gemeinnütziger Verein Anwalt und Ansprechpartner für Freie Software und vor allem für die Linuxnutzung in den Kirchen. Darüber hinaus vernetzen wir natürlich die Linux-Nutzer in den großen und kleineren Kirchen miteinander, halten regen Austausch und helfen bei Fragen und Problemen.

Die Kirchen sollten Linux und Freie Software nutzen

Wir versuchen von LUKi aus derzeit, uns im Bereich „ethical computing“ und „digitaler Nachhaltigkeit“ als Gesprächspartner zu positionieren. Unser Ansatz dabei ist dieser: in den Kirchen ist es allgemein akzeptiert, dass nach Möglichkeit ethisch korrekt produzierte, also „fair gehandelte“ Waren und Produkte genutzt werden. Da ist der ethische Blick schon sehr geschärft.

Im Bereich Software allerdings weniger. Das ist unser Ansatz, zu argumentieren: Wir verweisen darauf, dass Freie Software solidarisch entsteht, weiterentwickelt und verbreitet wird, unabhängig macht und Menschen zusammenbringt. Linux etwa ist das größte Software-Projekt weltweit, an dem über den Globus verteilt Tausende arbeiten und dabei etwas Wundervolles schaffen: ein Werkzeug, dass ich frei nutzen kann. Freie Software wie Linux (auch andere wie etwa der beliebte Firefox-Browser) steht also für Kommunikation, Teilhabe, Austausch, Hilfe, soziales Engagement. Systeme wie Linux helfen etwa ärmeren Ländern, auch mit weniger aktueller technischer Ausrüstung und Hardware Anschluss an das Zeitalter der Informationsgesellschaft zu erhalten. Freie Software ist also auch deshalb „fair“, weil sie bei der fairen Verteilung von Wissen hilft, sie hilft den „digital divide“, den von der UNO beklagten ” digitalen Graben“, zwischen Arm und Reich zu überwinden. Der Einsatz für eine gerechte und inklusive (nicht exklusive!) Weltinformationsgesellschaft sollte gerade den Kirchen selbstverständlich sein – ist aber als Kriterium bei allen IT-Entscheidungen in den Kirchen bislang völlig unbedacht.

Wir verweisen darauf, dass Freie Software solidarisch entsteht, weiterentwickelt und verbreitet wird, unabhängig macht und Menschen zusammenbringt.

Die Software auf unseren Kirchen-Rechnern ist weltweit geprägt durch Monopole, die oft mit unsauberen und z.T. mit kriminellen Mitteln durchgedrückt und behauptet werden – das betrifft auch uns, die wir damit ja in den Kirchen auch arbeiten (müssen).

Ein Beispiel: Die Firma, deren Betriebssystem weltweit auf den meisten PC installiert ist, ist sowohl in den Vereinigten Staaten als auch im EU-Raum zu milliardenschweren Strafen rechtskräftig verurteilt worden. Die EU- Kommission liefert sich seit Jahren einen erbitterten Streit mit dem Softwarehersteller. Im Kern steht die Frage, wie das Betriebssystem Windows für Rechner mit Anwendungen anderer Hersteller überhaupt dialogfähig und kompatibel gemacht werden kann. Microsoft soll dazu ausreichend Informationen zur Verfügung stellen und Schnittstellen offen legen – und verweigert dies hartnäckig. Die EU verhängte darum mehrfach Rekordbußgelder gegen Microsoft.

Ein anderes Beispiel: Die Firma Apple verkauft weltweit die vom Markenimage her begehrteste und hochpreisigste Hardware im Bereich Unterhaltungselektronik (iPod), Telekommunikation (iPhone) und Computern (iMac). Die Arbeitsbedingungen in den chinesischen Fabriken, die diese hippen Geräte herstellen, waren (und sind z.T. immer noch) derart von psychischer Unterdrückung und ausbeuterischem Umgang mit den dort Beschäftigten geprägt, dass auffallend viele Mitarbeiter schwer erkranken und viele als Ausweg nur den Selbstmord sehen. Die hohe Selbstmordrate in den Apple-Fabriken sorgte weltweit für eine großes Medienecho.

„Bei euch aber soll es nicht so sein…“

Nun kann ich von diesen Fakten her vielleicht nicht darauf schließen, dass generell proprietäre Software „schlecht“ oder moralisch „zweifelhaft“ ist. Aber festzuhalten bleibt dennoch: das Entwicklungsmodell proprietärer, eben „unfreier“ Soft- und Hardware geschieht stets nach den Regeln des Kapitals und des Marktes und kann einhergehen mit Missbrauch von Macht und mit Ausbeutung.

Das ist das genaue Gegenteil des Entwicklungsmodells Freier Software.

Warum also wird in der Entscheidung für die eine oder andere Hard- oder Software-Lösung nicht auch mit einbezogen, wie die Hersteller z.B. mit ihren Angestellten oder mit dem geltenden Recht umgehen? Was hindert die Kirchen daran, gerade hier der jesuanischen Aufforderung zu folgen: „Bei euch aber soll es nicht so sein!“ – und im Bereich IT vorbestraften Firmen endgültig den Rücken zu kehren?

Unsere IT in den Kirchen hat Dienst-Charakter (letztlich an der Sache Jesu) und steht darum nicht im moralisch-ethisch luftleeren Raum. Die Kirche sollte nicht nur ethisch „fairen Handel“ propagieren, indem sie z.B. in ihren Einrichtungen auf nachhaltig und „fair“ produzierte Lebensmittel (Kaffee, Kakao, Bananen) ihre eigene IT aber davon ausnehmen.

Die Verwendung Freier Software könnte dieses Dilemma lösen und Zeichen setzen. Dafür setzen wir uns als Verein ein.

Daneben gibt es noch den Aspekt, dass ich mit einer einzigen Linux-CD z.B. alle Rechner einer Landeskirche ohne lizenzrechtliche Probleme mit einem voll ausgestattetem Büro-Desktop-System versorgen könnte. Dass es mit proprietärer Software immer wieder lizenzrechtliche Probleme im Bereich der Kirchen gibt, wissen wir aus Gesprächen mit Verantwortlichen. Wobei „lizenrechtliche Probleme“ meistens immer bedeutet: die Kirchen zahlen (Lizenzgebühren) nach, manchmal nicht zu knapp. Ganze Rechtsabteilungen beschäftigen sich mit diesen Fragen. Lizenzgebühren sind überhaupt ein Thema! Die Kirchen könnten sich einfach viele Kirchensteuer-Gelder sparen mit Freier Software wie Linux.

Mein Eindruck ist: In Zeiten, in denen es den großen Kirchen finanziell gut geht, zählt nur das, was teuer ist.

Mein Eindruck ist: In Zeiten, in denen es den großen Kirchen finanziell gut geht, zählt nur das, was teuer ist. Oftmals haben die Entscheider in den Kirchen auch zu wenig Kenntnis von der Materie. Die zugezogenen „Berater“ stammen meist aus Firmen, deren Geschäftsmodell ausschließlich auf proprietärer Software beruht. Da ist es dann kein Wunder, dass Freie Software oder Linux außen vor bleiben.

Jesus würde Linux nutzen

Auf einer Tagung der Evangelischen Rheinischen Landeskirche in Köln habe ich kürzlich während eines Vortrages etwas provokant gesagt (was dann von den Medien aufgegriffen wurde): „Jesus würde Linux nutzen“ – das wiederhole ich hier gerne, und dehne dies auf Freie Software aus: „Jesus würde Freie Software nutzen!“

Im kirchlichen Bereich gibt es eine schöne, von vielen kirchlichen Mitarbeitern selbstverständlich praktizierte Tradition: Wer gute Ideen hat und ein schönes Konzept für eine Veranstaltung entworfen hat, benutzt es selbst gerne, aber gibt es ebenso gerne weiter, weil so auch andere Kollegen etwas davon haben. Und wenn die Anderen es für ihren Bedarf verändern, verbessern oder erweitern, dann ist das gut und in Ordnung. Vielleicht bekommt der Ideengeber die Ergebnisse der anderen dann wieder zurück und es entsteht ein Geben und Nehmen.

Im Grunde genommen funktioniert die Idee der Freien Software genauso. Jemand schreibt ein schönes Programm und stellt es allen anderen zur Verfügung. Und weil er den Quelltext mitliefert, können diejenigen, die etwas vom Programmieren verstehen, sein Programm verbessern und erweitern und es wieder allen anderen zur Verfügung stellen. Damit wird das Programm zu einer Art Gemeinbesitz. Und es wird frei. Nicht so sehr frei im Sinne von gratis oder „das kostet nichts“, sondern vor allem frei im Sinne von „niemand kann die Weiterentwicklung und Nutzung einschränken“ (z.B. durch neue Lizenzmodelle).

Wir von LUKi finden, diese Ideen und dieses solidarische Handeln ist etwas für uns Christen. Wenn eine Idee, die so gut mit der Bibel und christlichen Grundüberzeugungen harmoniert, außerhalb von Kirche geboren wird, dann ist sie unsere Unterstützung und Adaption wert.

Mehr Informationen: luki.org

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