022015

Foto: re:publica/Jan Michalko: #performersion (CC BY 2.0), Bildausschnitt

Praxis

Gunther Landschütz

Gemeindeberatung und Pastorale Supervision als interne Beratungsdienste im Erzbistum Paderborn

1. Die Entwicklung der Beratungsdienste im Erzbistum Paderborn –  Markierungen

Für das Pastorale Personal, die Gremien und die weiteren relevanten Handlungsträger in den unterschiedlichen, seelsorglichen Organisationseinheiten wie Pfarreien, Pastoralverbünde und Pastorale Räume stehen im Erzbistum Paderborn im Bereich der internen Beratung mit der Pastoralen Supervision und mit der Gemeindeberatung zwei professionelle Unterstützungssysteme zur Verfügung. In der Hierarchie sind die Beratungsdienste in der Hauptabteilung Pastorale Dienste eingebunden und direkt dem Hauptabteilungsleiter unterstellt. Ein kurzer Einblick in die geschichtlichen Meilensteine lässt erkennen, welche Entwicklungen die Beratungsdienste im Erzbistum sowohl in der Organisation, als auch in der Beziehung zueinander genommen haben.

1.1 Pionierarbeit in Koexistenz: Aufbau und Etablierung im System

Die ersten Supervisoren und die ersten Gemeindeberater waren echte Pioniere, die nach und nach beide Beratungsformate strukturell bis hin zu Fachstellen entwickelt, und im Erzbistum auf Ebene der Gemeinden etabliert haben.

Seit 1992 gibt es im Erzbistum die Gemeindeberatung. Beraten wurden in den ersten Jahren Pfarreien, später auch die größeren Zusammenschlüsse der Pastoralverbünde. Gemeindeberatung hatte den Auftrag, die Entwicklung der Pastoral vor Ort auf Ebene der Gremien und Teams und der Gemeinden zu beraten. Beratungsaufträge waren Konfliktberatungen, Teamentwicklungsprozesse, und Prozesse zur Konzeptentwicklung.

Die Pastorale Supervision wurde 6 Jahre später, im Jahr 1999 als zweites Unterstützungssystem im Erzbistum eingeführt. Zunächst gab es keine eigene Leitung, sondern für den späteren Leiter der Fachstelle eine Freistellung von 15% einer Vollzeitstelle. Seit dem Jahr 2008 besaß die Pastorale Supervision den Status einer Fachstelle mit einem eigenen Leiter mit 100% Beschäftigungsumfang. Der erste Auftrag bestand darin, Supervisoren zu suchen, die in diesem Bereich mitarbeiten wollten, Akzeptanz im System herzustellen und Kundenakquise zu betreiben. Grundformate der Supervision waren Einzel-, und  Teamsupervision für Pastoralteams. Wie in der Pastoralen Supervision berieten auch in der Gemeindeberatung anfänglich alle Beraterinnen und Berater (die Leitungsebene ausgenommen) zusätzlich zu ihren Hauptaufgabenbereichen als Gemeindereferentin, Priester, oder Dekanatsreferentin in ungeklärten Beschäftigungsumfängen.

In der Weise waren die ersten Supervisoren und die ersten Gemeindeberater echte Pioniere, die nach und nach beide Beratungsformate strukturell bis hin zu Fachstellen entwickelt, und im Erzbistum auf Ebene der Gemeinden etabliert haben. Ziel des Erzbistums war es, professionelle Beratungsangebote für die

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Ebenen der Gemeinden und für die Pastoralteams vorzuhalten, um diese in den Herausforderungen ihrer Arbeit im Sinne von Stabilisation zu unterstützen. Die Beratungsprozesse wurden formal in einem Dreieckskontrakt formuliert, faktisch fanden sie dann aber in einem geschützten Setting zwischen Kundensystem und Beratern, ohne inhaltliche Rückbindung an den Auftraggeber statt.

Die Abb. Die Anfänge der Gemeindeberatung veranschaulicht diese Entwicklungsphase der Gemeindeberatung und lässt sich, bei einer Unterscheidung im Kundensystem, auch auf die Pastorale Supervision übertragen.

Diese erste Phase ist in Koexistenz zu beschreiben: Beide Beratungssysteme arbeiteten zunächst unabhängig und abgegrenzt voneinander. Die sich im Laufe der Zeit abbildende grundsätzliche Schnittmenge der Beratungstätigkeit in den Bereichen der Teamberatung und Teamentwicklung wurde genutzt, um die Profile und Identitäten von Gemeindeberatung und Pastoraler Supervision im Sinne von gegenseitiger Abgrenzung zu schärfen.

1.2 Kooperierende Beratungssysteme mit gemeinsamen Auftrag

Ab 2007 fanden erste gemeinsame Treffen statt. Der Grund für diese ersten Kooperationstreffen bestand in der sich abzeichnenden Entwicklung von den Pfarreien und Pastoralverbünden hin zu den großen Pastoralen Räumen als den zukünftigen seelsorglichen Organisationseinheiten. Diese Entwicklungsprozesse sollten durch Beratung unterstützt werden und das Erzbistum entschied sich dazu, die internen Beratungsdienste damit zu beauftragen.

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Das heißt, das Erzbistum hat den Beratungsauftrag der beiden Fachstellen Pastorale Supervision und Gemeindeberatung in der Weise erweitert, dass ab dem Jahr 2010 beide Beratungssysteme einen gemeinsamen Beratungsauftrag bekamen: Die Beratung des Aufbaus der Pastoralen Räume. Das Erzbistum wurde in den Beratungsprozessen aktiver Kontraktpartner im Dreickskontrakt (vgl. Abb. Der aktuelle Mainstream), indem in der Perspektive 2014 der Aufbau der Pastoralen Räume durch Inhalte, Zielsetzungen und Prozessschritte klar umschrieben, und mit dem jeweiligen Dechanten ein Vertreter des Bischofs in den Beratungsprozessen benannt wurde.1

Intern wurden die beiden AG´s der Gemeindeberatung und der Pastoralen Supervision in der  „Fachgruppe Beratung“ neu organisiert, die in Kooperation von den beiden Leitern der Fachstellen geleitet wurde, um sich in den neuen Anforderungen an Supervision und Gemeindeberatung gemeinsam entwickeln zu können. Qualitativ wurde damit der Schwerpunkt der Beratungstätigkeiten ab 2010 auf das „formatierte Beratungssetting“ der zweijährigen pastoralen Planungsprozesse gelegt, die möglichst in gemischt professionellen Teams aus Supervisoren und Gemeindeberatern beraten werden sollten.

2010 wurde der Beratungsauftrag der beiden Fachstellen Pastorale Supervision und Gemeindeberatung in der Weise erweitert, dass sie einen gemeinsamen Beratungsauftrag bekamen: Die Beratung des Aufbaus der Pastoralen Räume.

Diese Veränderung führte intern anfänglich zu einem heftigen Diskurs und Konflikt. Insbesondere die AG der Pastoralen Supervisoren sorgte dafür, dass die Problemseiten dieser Veränderung im Blick auf die bisher nicht vorhandene doppelte Loyalität zum Kundensystem einerseits und zum Auftraggeber andererseits, oder aber auch die mögliche heimliche Instrumentalisierung der Beratungsdienste durch das Bistum nicht unbeachtet blieb. Der Auftrag, in diesem Beratungssetting gemeinsam zu beraten, wurde trotzdem angenommen. Es lässt sich so skizzieren: Der fachliche Diskurs wurde und wird auch gegenwärtig in den Beratungsdiensten und mit den zuständigen Bistumsebenen geführt. Demgegenüber gab es von Anfang an keine Probleme in der konkreten gemeinsamen Beratung als Tandem in den komplexen Prozessen zur Pastoralvereinbarung.

Da schon bald absehbar wurde, dass die vorhandenen Ressourcen der Beratungsdienste für die Anzahl der Beratungsprozesse nicht ausreichen würden, wurden 2010 vier befristete Projektstellen mit je 50% Beschäftigungsumfang eingerichtet und mit jeweils zwei Supervisoren und zwei Gemeindeberatern besetzt. In der Zeit zwischen 2010 und 2014 wurden mittlerweile 50 Prozesse zur Pastoralvereinbarung beraten, bzw. die Pastoralen Räume sind gegenwärtig in diesem Prozess.

1.3 Struktureller Zusammenschluss und Ressourcenerhöhung

Die bisher letzte große Veränderung der Beratungsdienste fand zum 1. Januar 2015 statt. Die beiden eigenständigen AG´s Pastorale Supervision und Gemeindeberatung wurden strukturell unter einem Dach zur „Fachstelle Pastorale Beratungsdienste“ 2 mit einer gemeinsamen Leitung zusammengeführt. Der Zeitpunkt für die Einführung der neuen Struktur begründete sich mit dem beginnenden Ruhestand des Leiters der AG Pastorale Supervision. Die Leitungsebene wurde durch ein dreiköpfiges Leitungsteam neu strukturiert: Es gibt zukünftig einen Leiter, der zu 100% mit der Leitung beauftragt ist. Hinzukommt die Position der stellvertretenden Leitung, die zu 50% für Leitungsaufgaben und zu 50% für Beratungsprozesse beauftragt ist. Ziel ist es, das in der Leitung und seiner Stellvertretung immer beide Grundprofessionen von Gemeindeberatung und Supervision abgebildet sind. Die dritte Stelle auf der Leitungsebene ist die des neu eingeführten geistlichen Leiters, der ebenfalls eine geteilte Aufgabenumschreibung zwischen geistlicher Leitung und der Übernahme von Beratungsprozessen besitzt. Neben dem strukturellen Umbau wurden auch die Ressourcen der Beratungsdienste noch einmal deutlich erhöht. Die bisher befristeten Projektstellen wurden entfristet und zusätzlich vier weitere 50% -Stellen unbefristet eingerichtet.

2015 wurden die beiden eigenständigen AG´s Pastorale Supervision und Gemeindeberatung strukturell unter einem Dach zur „Fachstelle Pastorale Beratungsdienste“ mit einer gemeinsamen Leitung zusammengeführt.

Insgesamt gibt es zurzeit, inklusive der Leitungsebene, 30 Beraterinnen und Berater, davon 11 mit der Erstprofession des Supervisors und 19 mit der des Gemeindeberaters. Parallel will das Erzbistum weiter in die Ausbildung neuer Supervisoren und Gemeindeberater investieren.

Die vorgenommenen Veränderungen in der Struktur und die abermalige Erhöhung der Ressourcen der Beratungsdienste sind aus meiner Sicht ein klares Signal: Das Erzbistum gibt den Beratungsdiensten zukünftig deutlich mehr Gewicht und sieht in ihnen noch stärker als bisher einen wichtigen Baustein, die anstehenden Veränderungen wirkungsvoll zu beraten und zu begleiten. Daraus ergeben sich ganz neue Chancen und  Entwicklungsperspektiven. Gleichzeitig sind die sich ergebenden Herausforderungen anspruchsvoll und weitreichend:

„Wandlung und Entwicklung im Dialog mit der sich verändernden Umwelt zur Herstellung der Anschlussfähigkeit sind theologisch und soziologisch gesehen Kernanforderungen, denen sich die Kirche als Organisation immer wieder neu stellen muss, sowohl ihre Mitglieder als auch in besonderer Weise ihre Verantwortungsträger. Der Komplexität dieser Herausforderung Rechnung tragend haben die Diözesen in Deutschland hierfür in den letzten Jahrzehnten eine Reihe von Unterstützungsfunktionen eingerichtet, u.a. Praxisbegleitung, Supervision und nicht zuletzt Gemeindeberatung bzw. Gemeindeentwicklung. Die Wirksamkeit (und dauerhafte Existenz) der Unterstützungssysteme beruht ihrerseits auf einer adäquaten Umweltreferenz, oder anders formuliert: Sie müssen sich als erste verändern, um hilfreich und veränderungswirksam für das System zu sein, dem sie dienen wollen.”3

Nur ein paar Monate zuvor wurde das Zukunftsbild im Erzbistum Paderborn in Kraft gesetzt. Es bedarf der Auseinandersetzung mit dem inhaltlichen und strategischen Stellenwert des Zukunftsbildes für das Bistum, um den Standort für die Herausforderungen und Perspektiven der Beratungsdienste zu beschreiben.

2. Das Zukunftsbild im Erzbistum Paderborn in Vision und Strategie

Berufung – Aufbruch – Zukunft: Unter diesem Leitwort ist am 25. Oktober 2014 das neue Zukunftsbild des Erzbistums Paderborn im Rahmen eines Diözesanen Forums vorgestellt, und von Erzbischof Becker in Kraft gesetzt worden. Dieser 25. Oktober hat natürlich unterschiedliche Wirkungen hervorgerufen. In der Weise gebe ich hier zunächst nur die Wirkungen wieder, die das Diözesane Forum auf mich als Teilnehmer hatte. Ich bin noch nie von einer diözesanen Veranstaltung derart bereichert, inspiriert und motiviert nach Hause gegangen. Und ich bin bisher keinem Teilnehmer begegnet, der nicht grundsätzlich von diesem Tag in vergleichbarer Stimmungslage erzählt hat. Eine zentrale Wirkung bei den Teilnehmern des diözesanen Forums war diese: Aufbruchsstimmung.

2.1 Berufung ermutigt zum Aufbrauch

Das Zukunftsbild beschreibt die Gestalt der Kirche von Paderborn als:

Diözesanes Forum zum Zukunftsbild: Ich bin noch nie von einer diözesanen Veranstaltung derart bereichert, inspiriert und motiviert nach Hause gegangen. Und ich bin bisher keinem Teilnehmer begegnet, der nicht grundsätzlich von diesem Tag in vergleichbarer Stimmungslage erzählt hat.

  • grundsätzlich und konstitutiv getragen von dem Grundvertrauen, dass Jesus Christus auch heute in seiner Kirche gegenwärtig ist,
  • selbstverständlich diakonisch handelnd, dabei verlässlich und zugewandt im Umgang mit den Menschen, sensibel für ihre Themen und Anliegen,
  • evangelisierend nach Innen und misionarisch zeugnisgebend nach Außen,
  • getragen von der Haltung wechselseitigen Vertrauens und Verantwortung,
  • in einer Kultur der Wertschätzung erkennbar charismenorientiert und partizipativ, mit vielen Beteiligungsmöglichkeiten lebend,
  • Pluralität und Vielfältigkeit spiegeln sich in differenzierten Angeboten und Zugängen,
  • in umfassender Delegation von Verantwortung an Einzelne und Teams weitestgehend selbstorganisiert, und strukturell in einem Netzwerk geordnet, in großen Räumen zeichenhaft handelnd,
  • und so prinzipiell in der Welt verankert, weil in allen Realitäten Gott selbst erfahrbar uns begegnet und begegnen will.

Die zentrale Ausrichtung erfolgt dabei an zwei biblischen Perikopen. Die Perikope vom Gang Jesu auf dem Wasser (Mt 14, 22-33) legt eine Haltung des Vertrauens in die Gegenwart Jesu zu Grunde, die ermutigt, die Gegenwart ohne Verzagtheit anzunehmen und in den wahrnehmbaren Realitäten deutliche Veränderungsschritte zu wagen. In einer Eltern-Kind-Beziehung würde man dieses Vertrauen als Urvertrauen bezeichnen, das auch unsichere Schritte in dem Vertrauen möglich werden lässt, dass eine zupackende Hand der Eltern immer in der Nähe ist. Dieses Grundvertrauen in die Gegenwart Jesu als dem „Herrn der Kirche“4 ist der zentrale wechselseitige Bezugspunkt. Zum einen ist sie der Bezugspunkt für eine spirituelle persönliche Verankerung in dieser Jesus Christus-Beziehung als Kirche von Paderborn, aber auch ganz persönlich als Christ. Zum anderen werden aus dieser Beziehung im Zukunftsbild die Anforderungen an die notwendigen Veränderungen entwickelt: Eine Kirche, die in dieser Beziehung verankert ist, kann gewissermaßen gar nicht anders, als missionarisch in der Welt zu sein und das Evangelium Jesu zu verkünden. Es wird demnach auch darauf ankommen, wie Veränderung in dieser spirituellen Haltung des Vertrauens gelingt, denn das Vertrauen scheint verloren zu sein: „Alle, insbesondere aber jene, die heute pastoral handeln, müssen also in die Schule des Evangeliums gehen, um neu zu lernen, dass sie in erster Linie vom Vertrauen in die einzigartige Kraft des Evangeliums (vgl. Römer 1,16f.) leben.“5

Die zweite Perikope (Apg 17, 16-34; Paulus auf dem Areopag) erschließt in erneuerter Qualität das „in der Welt sein“ der Kirche. Es wird darum gehen, dem hier und jetzt nicht auszuweichen, sondern Anknüpfungspunkte für die Verkündigung zu suchen, auch wenn das bedeutet, dass sich die Verkündiger aussetzen müssen. Im Fokus steht der Auftrag der Verkündigung des Evangeliums, der auch dadurch erfahrbar wird, dass die Kirche sich sensibel den Menschen zuwendet: „Die Anerkennung der spirituellen Suche (oder auch Nicht-Suche) von Menschen soll genauso erkennbar sein wie der Versuch, zu verstehen, was Menschen suchen und brauchen […].“6 Beide Perikopen bilden im Aufbau des Zukunftsbildes eine Art Klammer um eine Beschreibung der Gegenwart, die unter anderem durch ein verändertes Bindungsverhaltens an die Kirche, dem heutigen Umfeld mit der Anforderung einer maximalen Differenzierung und permanentem Wandel, sowie der Marktsituation mit unterschiedlichsten Sinnanbietern beschrieben wird. Gleichzeitig werden Herausforderungen formuliert, die an die Kirche gestellt sind: Veränderung als spirituell verankerter Umkehrprozess, eine hohe Qualität von, und ein Verzicht auf bisherige Angebote, oder das Rechnen mit Gegenwind von Innen, weil bisherige Sozialformen und Abläufe zwar nicht zukunftsfähig, aber liebgeworden sind.7 Das Zukunftsbild ermutigt und fordert zu einem Wandel der Betrachtung der Gegenwart, der sich abkehrt von einer Deutung der Gegenwart als einer Zeit des Niedergangs der Kirche. Vielmehr soll es darum gehen sich dem zuzuwenden, was uns in der Gesellschaft verändert entgegenkommt, weil uns darin Gott selbst entgegen kommt.8

Allein schon in diesem ersten Kapitel des Zukunftsbildes stecken Potential und entscheidende Kriterien, die für eine Veränderung der Kirche und eine neue missionarische Ausrichtung sorgen würden. Mit der „Berufung“ als der zentralen Kategorie des Zukunftsbildes wird dieses Beziehungsgeschehen zwischen Gott und dem Menschen verdichtet: Die Berufung (aller Menschen) ins Menschsein begründet die diakonische Ausrichtung, die Berufung zum Christsein begründet die evangelisierende Ausrichtung und die Berufung zur Sendung begründet die Zeugnisgebende Ausrichtung.9 Hieraus entwickeln sich Haltungen wie Vertrauen und Verantwortung, eine veränderte Kultur der Charismenorientierung statt Aufgabenorientierung, eine Kultur der Wertschätzung, eine Haltung und Kultur des Dienens: Diesen Grundhaltungen, die sich in der gelebten Kultur des kirchlichen Lebens abbilden sollen, werden im Zukunftsbild ein besonderes Gewicht gegeben. Sie sind notwendige Voraussetzungen, um aus der Grundhaltung des Vertrauens heraus eine bewusste Veränderung in der Wahrnehmung der Realitäten zu ermöglichen. Der anvisierte Blick auf die Ressourcen und Möglichkeiten ist zutiefst systemisch: „Wichtiger ist es künftig, die Stärken und Potentiale zu fördern und zu entwickeln, statt die Schwächen zu beklagen und zu beurteilen. Ähnliches gilt für die Entwicklung von pastoralen Konzepten und erneuerten Formen des Glaubenslebens. Ermöglichen und Freigeben sind Grundvoraussetzungen einer wachstumsorientierten Grundhaltung.“10

Das Zukunftsbild folgt, erkennbar auch im Zusammenhang mit den drei Anlagen, der Charakteristik der systemischen Strategieentwicklung, in der die Beschreibung der Vision (nur) ein wichtiger Schritt des Veränderungsprozesses ist.

Eine solche Entwicklung von Haltungen und Kultur braucht Förderung durch Struktur und Strategie.

2.2 Entwicklung mittels systemischer Strategieentwicklung

Mit dem diözesanen Forum endete der zehnjährigen Entwicklungs-, und Suchprozess „Perspektive 2014“. Erzbischof Becker bezeichnet das Zukunftsbild als Wegzeichen, das im Bewusstsein aller Vorläufigkeit Orientierung über die Entwicklungsrichtung des Erzbistums geben soll: „Es ist ein Dokument, das Zeugnis gibt von den Chancen, den Möglichkeiten und Grenzen, die es mit dem Blick von heute, im Jahre 2014, für den Weg der kommenden Jahre ganz offensichtlich im Erzbistum Paderborn gibt. Beides stimmt und muss zusammenfinden: eine anziehende und kraftvolle Vorstellung der Kirche von Morgen und das Wissen um die teilweise massiven Rückgänge, die uns bevorstehen.“11 Die Begrifflichkeiten „Wegzeichen“, „Orientierung“ und „Vorläufigkeit“ können irritieren, denn sie lassen die Frage stellen, wie das Zukunftsbild einzuordnen ist. Über die Dimension eines Leitbildes geht das Zukunftsbild hinaus, weil es nicht als kurz und prägnant formulierter Orientierungsrahmen zu verstehen ist.12

Vielmehr folgt es, erkennbar auch im Zusammenhang mit den drei Anlagen zum Zukunftsbild13, der Charakteristik der systemischen Strategieentwicklung, in der die Beschreibung der Vision (nur) ein wichtiger Schritt des Veränderungsprozesses ist. Und damit werden Anspruch und Qualitätsmerkmale an das Zukunftsbild und den weiterführenden Prozess gleichermaßen beschrieben.

Das formulierte Zukunftsbild beschreibt einen Zielpunkt, vielleicht besser einen Zielkorridor, der die Unterschiede der Kirche von Paderborn zum bisherigen Status Quo formuliert: „`Wozu bist du da, Kirche von Paderborn? Was sind deine Anliegen? Wofür setzt du dich ein?´ Diese Leitfrage soll über allen konkreten Entwicklungsschritten und Entscheidungen stehen. Sie betrachtet die Entwicklung der Kirche von Paderborn von ihrem grundlegenden Auftrag her, das Evangelium von der Liebe Gottes zu verkünden und zu bezeugen, nicht von der Sicherung des überkommenen Status quo der kirchlichen Sozialform oder der Pastoral her.“14 Gleichzeitig markiert der Weg der Veränderung und Entwicklung auf die Zukunft hin Unterschiede: Die Veränderung des Systems „Kirche von Paderborn“ und das Erreichen des Zielkorridors ist eine Aufgabe, die gemeinschaftlich von allen System-, und Hierarchieebenen erbracht wird.15 Der Weg zur Formulierung des Zukunftsbildes lässt diese Merkmale systemischer Strategieentwicklung deutlich erkennen: Das Zukunftsbild wurde in einem zehnjährigen Dialogprozess mit eigenen Arbeitsformen und strategischen Kommunikationsräumen entwickelt16, es versucht die Brücke von der Gegenwart in die Zukunft zu schlagen, und es bezog und bezieht alle Hierarchieebenen ein. Ein Meilenstein und deutliches Beispiel auf diesem Weg war sicherlich die Pastoralwerkstatt im Juni 2013. Parallel wurde ermutigt, in der Pastoral schöpferisch Neues zu wagen. Die Förderung innovativer Projekte ist hierfür ein Indiz. Das Zukunftsbild ist geprägt vom Selbstverständnis einer lernenden Organisation, in der Veränderung und Entwicklung als Daueraufgabe bestehen bleibt. Beschrieben wird die Gesamtausrichtung der Kirche von Paderborn und es wird hierbei ernst genommen, dass diese Ausrichtung auf die Zukunft hin nur dynamisch zu verstehen ist. Valentin Dessoy beschreibt die Bedeutung der Strategie wie folgt:

„Systeme überleben, wenn sie kontinuierlich in der Lage sind, sich angemessen mit ihrer Umwelt zu koppeln. Hierbei treffen sie permanent Entscheidungen. Die Strategie liefert hierfür den notwendigen variablen Bezugspunkt. Selbst dynamisch, immer wieder neu zu bestimmen, versetzt sie die Organisation – trotz prinzipieller Ungewissheit, ausgestattet mit Wahrscheinlichkeitsannahmen, quasi hypothetisch – in die Lage, sich als Ganze langfristig auf Zukunft hin ausrichten und zu bewegen.“17

Genau in diesem Sinne ist das Zukunftsbild als ein Wegzeichen im Bewusstsein der Vorläufigkeit zu verstehen, mit dem implizit der Prozess der Aneignung und Umsetzung beginnt. Und, und das markiert sicherlich einen Unterschied, es ist eine für alle Systemebenen entschiedene und gesetzte Orientierung: „Ich werde an der Verbindlichkeit dessen, was wir heute auf den Weg bringen, keinen Zweifel lassen.“18

Ohne Zweifel ist der nun beginnende Prozess der Aneignung und Umsetzung als große Herausforderung anzusehen. Allein die gesetzten Ziele, Maßnahmen und ausgeschriebenen Zeiträume zur Umsetzung der Teilprojekte auf Diözesanebene sind äußerst ambitioniert. Im Blick auf die Pastoralen Räume ist diese Herausforderung nicht minder groß: „Systemische Strategieentwicklung ist jener gezielt eingeleitete und professionell gesteuerte Prozess, der eine Verständigung über die verschiedenen mentalen Modelle ermöglicht. Der Dialog über die Art und Weise, wie jeder die Welt aus seiner Perspektive sieht, ist in der Praxis jedoch ein höchst anspruchsvolles Unterfangen.“19 Die Tragweite dieses Verständigungsprozesses ist in der Kirche ungleich tiefer zu verstehen, da es nicht nur um mentale Modelle der Weltsicht, sondern vielmehr um die gelebte persönliche Glaubensdimension geht, die in den Einzelgeschichten der Personen, Pfarreien und Einrichtungen sinn- und identitätsstiftend ist.

Für alle gibt das Zukunftsbild damit zunächst einmal grundsätzlich Sicherheit. Planung und Entwicklung müssen letztendlich mit den Kernaussagen des Zukunftsbildes kompatibel sein. Das ist das Pfund, die Stütze oder die Knute – je nachdem aus welcher Perspektive ich das Zukunftsbild lese, es ist wie ein Nährboden für zukünftige Entwicklung und gleichzeitig irritierender Kontext des Bisherigen.

Die Kirche als Organisation gesehen kann sich in Selbstverständnis und Sozialformen deutlich verändern, sobald die im Zukunftsbild beschriebenen Zielperspektiven erkennbar umgesetzt werden: Im Kern geht es um eine Veränderung der Organisationskultur der Kirche im Erzbistum Paderborn, um wieder besser im Kontakt untereinander, und besser im Kontakt mit den Anforderungen der Umwelt zu sein.20 Und so ist auch der Adressatenkreis des Zukunftsbildes nicht auf binnenkirchlich beruflich oder ehrenamtlich Engagierte zu beschränken. Allein die Veröffentlichung des Zukunftsbildes in unterschiedlichsten Formen und Medien ist ein Indiz dafür und lässt die Zielperspektive erahnen, möglichst viele Menschen neu erreichen zu wollen und als Kirche von Paderborn in gesellschaftlicher Vernetzung und Relevanz neu erkennbar und tätig zu werden. In die konkrete Auseinandersetzung wird das Zukunftsbild aber zuerst die führen, die sich als aktive Mitglieder der Kirche verstehen und das kirchliche Leben in unterschiedlichster Weise verantworten. Etwas, das dabei spürbar neu ist und im Vergleich zu unserer bisherigen Kultur des Zusammenwirkens einen Unterschied macht: Niemand ist mehr einen Schritt voraus, sondern Aneignung und Umsetzung sind gemeinsamer Auftrag mit zeitgleichem Beginn. Diese Irritation wurde bereits bei ersten Veranstaltungen deutlich, wie etwa  bei einem Treffen der Dekanatsteams.

Eine erkennbare Erwartung zum Thema „Aneignung des Zukunftsbildes“ war durchaus auch die, inhaltlich und methodisch für den Aufgabenbereich der Dekanatsteams ausgestattet zu werden. Die Erwartung wurde enttäuscht. Zum Ende der Veranstaltung war ins Gespräch gebracht, was es auf den unterschiedlichen Ebenen braucht, um das Zukunftsbild in die Aneignung zu bringen und erste Ansätze gefunden, wie man sich dabei organisieren kann. Der Tag hatte also eher den Charakter eines Vernetzungstreffens. Ein Kulturwandel in einem System, das sich bisher eher in berufsspezifischen Fachkonferenzen und Fortbildungen organisiert hat. Es war das erste Mal, dass Dechanten, Dekanatsreferenten, Referenten für Jugend und Familie und Bistumsvertreter gemeinsam an einem Thema gearbeitet haben. Das wiederum wurde zu Beginn der Veranstaltung als Experiment bezeichnet: „Strategische Neuausrichtung nach außen bedeutet immer auch einen entsprechenden Wandel im Inneren des Betriebes.“21

Das Erzbistum Paderborn ist losgelöst vom Zukunftsbild nicht mehr zu entwickeln. Es gibt für jedwede Planung und Umsetzung nun eine Art verbindlichen Rahmen: „Die Strategie legt somit den Weg der Unternehmung in die Zukunft grob fest. Mit einer Strategie als Leitplanke für das tägliche beziehungsweise operative Handeln werden die Kräfte und die Ressourcen im Unternehmen auf ein gemeinsames Ziel hin konzentriert.“22 Für alle gibt das Zukunftsbild damit zunächst einmal grundsätzlich Sicherheit. Planung und Entwicklung müssen letztendlich mit den Kernaussagen des Zukunftsbildes kompatibel sein. Das ist das Pfund, die Stütze oder die Knute – je nachdem aus welcher Perspektive ich das Zukunftsbild lese, es ist wie ein Nährboden für zukünftige Entwicklung und gleichzeitig irritierender Kontext des Bisherigen.

Wenn man so will:

Das Zukunftsbild, verstanden als Dokument systemischer Strategieentwicklung, ist eine Art erschaffener Kontext, der mittels der inhaltlichen Beschreibung eines dynamisch zu verstehenden Zielkorridores bei Aneignung und Umsetzung innen wie außen eine irritierende Wirkung in den Wirkungsketten der unterschiedlichen Kontexte mit dem Ziel haben kann, sich mit diesen als Kirche von Paderborn durch Beteiligung der Kunden neu zu koppeln.

Entwicklung ist eben nicht trivial …

Das Zukunftsbild, verstanden als Dokument systemischer Strategieentwicklung, ist eine Art erschaffener Kontext, der mittels der inhaltlichen Beschreibung eines dynamisch zu verstehenden Zielkorridores bei Aneignung und Umsetzung innen wie außen eine irritierende Wirkung in den Wirkungsketten der unterschiedlichen Kontexte mit dem Ziel haben kann, sich mit diesen als Kirche von Paderborn durch Beteiligung der Kunden neu zu koppeln.

3. Nichts ist ohne sein Gegenteil wahr

Im Zukunftsbild ist die Weiterentwicklung der Beratungsdienste als Daueraufgabe festgeschrieben.

Die beschriebenen strukturellen Veränderungen in den Beratungsdiensten zum 1.1. 2015 sind im Zusammenhang mit dem Zukunftsbild somit Impuls, Auftrag und Innovationspotential zugleich. Grundsätzlich gilt: Alle perspektivische Entwicklung und strategische Planung im System der Beratungsdienste hat sich mit dem Zukunftsbild und im Dreieck zwischen Bistum, Pastoralen Räumen und Beratung zu verorten – im eigenen professionellen Anspruch, bewusst in der Übernahme des Auftrages, explizit orientiert an den Anforderungen der Kunden und auf dem Boden des Zukunftsbildes. Jede Entwicklung der Beratungsdienste ist qualitativ nur so gut, wie sie dem zu beratenden System hilft, sich zu entwickeln – im Anspruch des Zukunftsbildes. Eine Kernfrage wird dabei immer sein, auf welchen Boden das Zukunftsbild vor Ort in den Gemeinden fällt und unter welchen Bedingungen die Beratungen der Planungsprozesse beginnen. Tatsächlich gibt es im Erzbistum viele selbstinitiierte Prozesse in den Pastoralverbünden und Gemeinden. Wenn ich im weiteren Verlauf eher die vom Bistum initiierten Planungsprozesse als Bezugspunkt heranziehe, dann dient dieses der Reduktion der Komplexität der Betrachtungsmöglichkeiten. Das ist natürlich anfragbar. Zudem spiegelt es in gewisser Weise etwas von der Realität der Aufmerksamkeit in unserem Bistum und in den Beratungsdiensten: Vorrangig sind die Planungsprozesse, nachgeordnet alle weiteren Prozesse. Etwa 80 – 90% der zeitlichen Ressourcen der Beratungsdienste werden zurzeit in die Beratung dieser Prozesse investiert. Als Berater lassen mich erkennbare Spiegelungen auf einen grundsätzlichen Veränderungsbedarf aufmerksam werden. Eher werde ich sie thematisieren, bzw. irritieren, als das ich mich verführen lasse, stabilisierend denselben Fokus einzunehmen. Gleichzeitig ist die Fokussierung gerechtfertigt, weil die in den nachfolgenden Kapiteln entwickelten Sichtweisen grundsätzlich übertragbar sind. Es geht mir also um Schwerpunktthemen, die ich aus meiner Perspektive und auf Grund meiner Erfahrungen als grundsätzlich wichtig ausgemacht habe: Zum einen reflexiv im Blick auf das eigene Handeln, die eigenen Wahrnehmungen und Erfahrungen als Berater und als Mitarbeiter des Erzbistums. Und auf der anderen Seite korrespondierend mit Kernaussagen des Zukunftsbildes. Die Perspektiven meiner Betrachtung sind demnach zwar nicht willkürlich, aber auch nicht umfassend. Sie sagen also eher etwas über mich und meine Aufmerksamkeitsrichtungen aus. Damit lässt sich aber auch ein wesentlicher Einstieg finden: Entscheidend ist zunächst einmal, auf welchen Boden das Zukunftsbild bei jedem Einzelnen fällt. Am unmittelbarsten sind die Wirkungen bei den Hauptberuflichen auf Bistumsebene und bei den pastoralen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen vor Ort beschreibbar. Ihre (Ein-)Stellung zum Zukunftsbild ist zudem von elementarer Bedeutung, denn sie erteilen den Auftrag, bzw. bekommen den Auftrag zum Aufbau des Pastoralen Raumes und verantworten den Entwicklungsprozess.

4. Entwicklung braucht Balance zwischen Person und Organisation

Das Zukunftsbild hat unter den Hauptberuflichen die erwartbare Vielfalt an Reaktionen und Wirkungen hervorgerufen. Viele, denen die umfassende Veränderung der Kirche am Herzen liegt, schildern das Zukunftsbild als inspirierend und motivierend. Dies gilt auch für die, die das Zukunftsbild zumindest im Bewusstsein der Veränderungsnotwendigkeit lesen und verstehen wollen. Gleichzeitig gibt es auch die, die bis hin zur Ablehnung irritiert sind. Sie empfinden das Zukunftsbild als unrealistisch im Bezug auf ihre konkrete berufliche Situation vor Ort, bzw. lehnen es ab, weil sie sich theologisch in ihm nicht wiederfinden. Sind die im Prozess zum Zukunftsbild Beteiligten in Aufbruchsstimmung, so gibt es teilweise Unverständnis und Kränkungen bei denen, die nicht beteiligt wurden, obwohl sie damit gerechnet haben, beteiligt zu werden. Ebenso gibt es die, die das Zukunftsbild noch nicht einmal gelesen haben, bzw. bereits den Prozess der Perspektive 2014 als Prozess zum Zukunftsbild ignoriert haben.

Systemisch betrachtet lässt sich in diesem Spannungsfeld wertschätzend festhalten, dass ein gutes Maß an Energie und Interesse an der Entwicklung der Kirche vorhanden ist. Im Prozess der Aneignung und Umsetzung wird es darauf ankommen, diese Energien und Interessen möglichst in eine Richtung fließen zu lassen. Glatz und Graf-Götz betonen daher, dass Veränderungsprozesse immer auch psychosoziale Lernprozesse sind, die grundsätzlich auf zwei Ebenen ablaufen.23 Auf der sachlichen Ebene wirken die Veränderungen in bestehende Strukturen und es geht letztendlich um Gewinner und Verlierer. Die zweite Ebene wird als emotional-persönliche Ebene bezeichnet.

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In den Phasen des  Veränderungsprozesses entstehen typische Gefühlszustände, die wie eine emotionale Achterbahn erlebt werden und  aufgegriffen werden müssen. Glatz und Graf-Götz formulieren hieraus eine direkte Anforderung an die Beratung: „Change-Management ist weitgehend Emotionsmanagement, […] in dem Sinne, dass es eine Notwendigkeit gibt, sich gerade auch mit jenen Gefühlsprozessen und Erlebnisphänomenen zu beschäftigen, die nicht in das offizielle Wunschbild von erfolgreichen Veränderungsprozessen passen.“24

Genau genommen ist es genau das, was im Zukunftsbild mit dem Bedarf einer neuen Kultur der Wertschätzung beschrieben wird:

„Der Dienst am Menschen bedarf eines verlässlichen und wertschätzenden Umgangs mit den Menschen und ihren Themen und Anliegen. Dazu gehört eine Kultur der Anerkennung und Wertschätzung für die Art und Weise, wie Menschen die Herausforderungen ihres Lebens bestehen und hierdurch ihre individuelle Berufung als Menschen glaubhaft leben.“25

Alle, die in der Kirche Führung und Leitung wahrnehmen, (sollen) sich so zurücknehmen, dass Christus durch sie handeln kann. Das heißt konkret und mit einem hohen Anspruch formuliert: Sie sollen Charismen entdecken und wecken, sie sollen ermutigen, befähigen, begleiten, sammeln und Einheit stiften. Ihr Handeln soll dabei partnerschaftlich, dialogisch, kommunikativ, kooperativ und situativ sein.“(Zukunftsbild)

Dieser Satz im Zukunftsbild ist für mich ein Schlüsselsatz. Bisher gibt es eher eine Kultur der Defizitorientierung, bzw. der Bedeutungsarmut des Gelungenen, oder der Scheu vor klaren, kritischen Rückmeldungen. Und im Sinne der Forderung des Zukunftsbildes zur Implementierung einer auf Selbstreflexion basierenden Feedbackkultur26: In der Entwicklung einer ausbalancierten Kultur der Wertschätzung liegt besonders auch ein wichtiges Lernfeld für die Bistumsebenen, sowohl intern im Generalvikariat, als auch in der Art der Wahrnehmung der vor Ort handelnden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Denn nicht nur bezogen auf die Hauptberuflichen verändert sich unmittelbar der Blick auf die nicht ins (Zukunfts-)Bild passenden, wenn ich ihnen grundlegend Wertschätzung in der Weise entgegenbringe, dass sie gute Gründe haben, sich so und nicht anders zu verhalten. Die eigene Berufung mit ihrer Geschichte, die Herausforderung durch veränderte Rollenanforderungen und veränderte Anforderungen an berufliches Handeln, die konkrete Situation und die aktuelle Befindlichkeit erzeugen in ihrer wechselseitigen Bezogenheit ein Spannungsfeld. Beruf und Berufung sind nicht zu trennen, weil es immer auch um die eigene Identität, die eigene Spiritualität und das eigene Selbstverständnis als hauptberuflicher Mitarbeiter in der Kirche geht. Es geht immer ums Ganze, um den konkreten Menschen. Wie diese Spannungen bewältigt werden können, hängt wiederum von unterschiedlichsten Faktoren ab: Von den eigenen Potentialen und Bewältigungsstrategien, von der eigenen Relevanz und Akzeptanz im Referenzsystem, von den Bewältigungsstrategien in diesem System, von den eigenen Perspektiven, usw. Insofern braucht es hier in besonderer Weise einen wertschätzenden, liebenden Blick. Wertschätzung ist letztendlich der Blick auf das Wachstum, das Gelungene, die Potentiale und die Möglichkeiten. Das schließt die klare, kritische Rückmeldung mit ein, wenn sie nicht isoliert, sondern in grundsätzlicher Achtung der Person und unter Einbeziehung des Gelungenen ausbalanciert ist.

Im Zukunftsbild werden dabei anspruchsvolle Anforderungen an das Selbstverständnis, an das eigene Handeln und, folgerichtig weitergedacht, für die Zusammenarbeit formuliert. An dieser Stelle dazu ein prägnanter Satz, der in seiner Formulierung vermutlich bewusst irritieren und herausfordern soll:

„Ein geistlich verstandener Dienst in der Kirche wird verraten, sobald sich eine Person, ob geweihter Amtsträger oder beauftragter Laie, in den Vordergrund schiebt und seine eigenen Interessen verfolgt. Im Gegenteil sollen alle, die in der Kirche Führung und Leitung wahrnehmen, sich so zurücknehmen, dass Christus durch sie handeln kann. Das heißt konkret und mit einem hohen Anspruch formuliert: Sie sollen Charismen entdecken und wecken, sie sollen ermutigen, befähigen, begleiten, sammeln und Einheit stiften. Ihr Handeln soll dabei partnerschaftlich, dialogisch, kommunikativ, kooperativ und situativ sein.“27

Diesen Anspruch gilt es sich erst einmal anzueignen, denn er ist umfassend und äußerst anspruchsvoll. Voraussetzung ist eine hohe Lernbereitschaft, verbunden mit hoher Wertschätzung gegenüber sich selbst und jedem anderen: Wertschätzung im Blick, auf das persönliche Wachstum, das täglich Gelungene, die eigenen Potentiale und Möglichkeiten unter Achtung der eigenen Grenzen. Das erfordert ein hohes Maß an Selbstreflexion und bedarf einer wohlwollenden Atmosphäre, in der auch kleine Entwicklungsschritte wertschätzend wahrgenommen und gewürdigt werden.28

Ein „liebe das System“ als wertschätzende Grundhaltung systemischer Beratung heißt dann in diesem Kontext „liebe den Störenfried, den Verweigerer, den Gekränkten, den Widerständler, den Energielosen“, denn sie leisten unglaublich viel für das System und seine Entwicklung.

Im Blick auf Berater und Beratung liegt hier für mich ein wesentlicher Ansatzpunkt und Auftrag. Es gilt, in der Beratung Wertschätzung ins System zu bringen und dafür Sorge zu tragen, dass das Wachstum einer Kultur der Wertschätzung gefördert wird. Ein „liebe das System“ als wertschätzende Grundhaltung systemischer Beratung heißt dann in diesem Kontext „liebe den Störenfried, den Verweigerer, den Gekränkten, den Widerständler, den Energielosen“, denn sie leisten unglaublich viel für das System und seine Entwicklung. Gleichzeitig ist es von Bedeutung, dass wir als Berater ein gutes Gespür dafür haben, welche geschützten Räume eventuell Einzelne brauchen, um sich am Entwicklungsprozess beteiligen zu können. In diesen Themenfeldern ist die Supervision von hoher Bedeutung.

Die Bedeutung einer Kultur der Wertschätzung für die Entwicklung des Einzelnen in den Veränderungsprozessen habe ich in diesem Kapitel im Blick auf die hauptberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschrieben. Alle getroffenen Aussagen sind auf die Menschen in den Gemeinden übertragbar. Insbesondere die, die sich vor Ort in den Gemeinden ehrenamtlich engagieren und Verantwortung übernehmen, stehen vor derselben Herausforderung, bisheriges Verständnis und Handeln zu überprüfen und zu verändern.

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Es geht um Personalentwicklungsprozesse, verstanden als Förderung der Funktionsträger und verstanden als Personenentwicklung, im Sinne von Entwicklung der Person.29 Diese PE – Prozesse finden nie isoliert, sondern immer im Zusammenspiel mit anderen in Gremien, Gruppen und Teams statt – ehrenamtlich, wie hauptamtlich. Eine Kultur der Wertschätzung beschreibt somit nicht mehr und nicht weniger als eine Basisprämisse, die für die Entwicklung förderlich ist. Die Entwicklung des Einzelnen steht immer in wechselseitiger Beziehung zur Entwicklung der Organisation (vgl. nebenstehende Grafik). Das, was zum Ende der angedacht zweijährigen Planungsprozesse formuliert sein soll, die Pastoralvereinbarung, ist „nur“ eines der Instrumente, um in einen kontinuierlichen Lernprozess als Kirche vor Ort zu kommen. Es geht um Balance.

Auf die Ebenen des Generalvikariates und der Dekanate lassen sich diese Herausforderungen ebenso übertragen. Und das beschreibt noch einmal für mich die Bedeutung des im Zukunftsbild beschriebenen Kulturwandels: Eine Kultur der Wertschätzung als Teil der Personalentwicklung und der Organisationsentwicklung wird sich auch dadurch auszeichnen, dass mehr und mehr eine Kultur der positiven Unterstellung wachsen kann, gerade in der Auseinandersetzung. Es geht um das Erkennen der Unterschiede und um das Aufspüren des Bemühens, damit Entwicklung in Auseinandersetzung möglich wird: intern in jedem einzelnen Subsystem und als Kirche im Erzbistum in der Kommunikation über die Systemebenen.

Im Übertrag auf die Beratungsdienste als eigenes System und als Teil des Ganzen leitet sich aus diesem Kapitel ein Auftrag speziell für die Leitungsebene ab: Hier ist dieselbe Aufmerksamkeit gefordert, dass Entwicklung in dieser Balance zwischen Personalentwicklung und Organisationsentwicklung gefördert wird. Wir brauchen ein gutes Gespür für den Einzelnen, seine Anforderungen, Herausforderungen, aber auch Überforderungen. Damit ist auch ein Bedarf zu beschreiben: Es braucht eine kontinuierliche, persönliche und wahrnehmende Kommunikation. Es braucht darüber hinaus ein Konzept für die Aus-, und Fortbildung. Und es braucht einen Prozess der eigenen Organisationsentwicklung.

5. Herausforderungen und Perspektiven für die Beratungsdienste

Die Entwicklung des Einzelnen steht immer in wechselseitiger Beziehung zur Entwicklung der Organisation.

Die Plattform für die nächsten Veränderungsschritte wurde vom Auftraggeber Erzbistum mit der neuen Struktur ebenso beschrieben, wie die Beratungsdienste mit Ressourcen neu ausgestattet wurden. Sie könnten für das Bistum zu einem relevanten strategischen Partner werden, der nicht nur die Pastoralen Räume, sondern auch die Bistumsprozesse berät. Dadurch käme die Bistumsebene deutlicher als Kunde in den Blick: Der anstehende interne OE-Prozesses im
Generalvikariat braucht Beratung und Unterstützung. Darüber hinaus verpflichtet sich das Bistum im Zukunftsbild zum Dialog über die Systemebenen hinweg. Die Beratungsdienste agieren genau an dieser Schnittstelle und können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, diese Schnittstellen zu gestalten, damit der Kommunikationsfluss erhöht, Synchronisierung realisierbar, die Entwicklung des Bistums gefördert und vor Ort Veränderung leichter möglich wird. Auch hier wird die Bistumsebene deutlicher als bisher zum Kunden der Beratungsdienste. Es wird zu klären sein, ob, und wenn ja, welchen (Teil-) Auftrag die internen Beratungsdienste in diesen Prozessen erhalten sollen und übernehmen können. Direkt im Blick sind die Beratungsdienste nach meinen Wahrnehmungen als Beratungsdienst für die Bistumsebene nicht. Das liegt sicherlich daran, dass zurzeit trotz Ressourcenerhöhung kaum Freiräume bestehen, um alleine die Anfragen an Beratung jenseits der Prozesse in den Räumen zu übernehmen. Gleichzeitig sind alle Beratungen auf Bistumsebene bisher extern beraten worden. Insofern besteht beidseitig noch kein ausreichendes Bild, wie das Angebot aussehen müsste und kann. Die Entwicklung einer Angebotspalette könnte ein Ansatzpunkt sein, um im Diskurs mit den Verantwortlichen für das Bistumsprojekt die Beteiligung und die Aufträge der Beratungsdienste in diesen Prozessen gemeinsam entwickeln und vereinbaren zu können.

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Generell ist für die strategische Weiterentwicklung der Beratungsdienste kein Zielkorridor formuliert. Das ist für mich seitens des Bistums ein Zeichen großer Wertschätzung und des Vertrauens in die Kompetenzen der Beraterinnen und Berater, diesen Zielkorridor eigenständig zu entwickeln und dann im Bistum abzustimmen. Gleichzeitig ist es ein Auftrag an die Leitung, diesen Prozess zu initiieren.

Zunächst sehe ich drei Ansatzpunkte: Einmal wird es um die Weiterentwicklung der Unterstützungs-, und Beratungsangebote im Blick auf die Kunden auf der Ebene der Pastoral vor Ort gehen. Dieser Auftrag ist erteilt. Ebenso eröffnen sich neue Perspektiven im Blick auf die Vernetzung im System. Die dritte Perspektive eröffnet sich in der neuen Struktur der Beratungsdienste und durch das Zukunftsbild. Der Prozess der Aneignung und Umsetzung des Zukunftsbildes gilt auch als Anforderung an einen internen Prozess als Beratungsdienste. Es wird darum gehen, welchen Beitrag wir als Teil des Ganzen zur Entwicklung des Bistums beitragen können. Die eigene Lernbereitschaft ist dabei eine hohe Ressource: „Selbstverständnis verändert sich: Wenn sie [die Beratungsinstanz, Anm. d. Verf.] die Kunden und sich selbst als Teil des Gesamtsystems versteht, das – eingebunden in ein Netzwerk unterschiedlicher Rollen und Funktionen –gemeinsam Wirklichkeit immer wieder neu konstruiert, also lernt, betreibt sie –mit einem spezifischen Beitrag – die Selbstentwicklung des Systems i.S. der Kybernetik 2.Ordnung.“30

5.1 Profilierung durch Differenzierung, Flexibilisierung und Anpassung

Der Entwicklungsprozess zur Pastoralvereinbarung sorgt in den Räumen zunächst einmal per se für eine immense Komplexitätserhöhung. Es gilt „bei laufendem Betrieb“ eine Reihe von Parallelprozessen zu bewältigen. Die Grundanforderung an die Beratung ist es, die einzelnen Prozesse crossmedial zu verknüpfen. Die Komplexität der zu bewältigenden Aufgaben und Entwicklungsschritte spiegelt sich in der Vervielfältigung der Anforderungen an die Beratungsdienste.

Es gilt „bei laufendem Betrieb“ eine Reihe von Parallelprozessen zu bewältigen… Die Komplexität der zu bewältigenden Aufgaben und Entwicklungsschritte spiegelt sich in der Vervielfältigung der Anforderungen an die Beratungsdienste.

  1. Nicht selten wird das Pastoralteam mit Beginn der Prozesse neu zusammengesetzt und muss sich überhaupt erst einmal als Team verstehen lernen und finden. Im Bezug auf die pastoralen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sprechen wir selbstverständlich von Pastoralteams und meinen dabei alle vor Ort beauftragten Seelsorger und Seelsorgerinnen. Die inneren Bilder von dem, was wir in der Pastoral unter Team verstehen, sind äußerst unterschiedlich. Gleichzeitig werden die Mitglieder des Pastoralteams im Zukunftsbild unter ein neues Anforderungsprofil gestellt: „Seelsorgerinnen und Seelsorger sind – ob sie es wollen oder nicht – in ihren Verantwortungsbereichen Führungskräfte. Als solche haben sie Aufgaben und Pflichten, zu deren Erfüllung es unverzichtbares Handwerkszeug gibt, das erlernt werden kann und soll. Wesentlich dafür ist die (Er-)Kenntnis der eigenen Stärken und Schwächen.“31 Es wird deutlich, wie groß die Bedeutung der Teamentwicklungsprozesse ist. Es braucht ein gemeinsames Führungs-, und Leitungsverständnis, das sich in der Organisation der Zusammenarbeit abbildet. Das verwendete Bild ist das eines Teams. Folgerichtig bleibt der Teamentwicklungsprozess ein gesetzt wichtiger Bestandteil im Anforderungsprofil der Beratungsdienste. Die Qualität an diesen lässt sich aber neu beschreiben: Das Zukunftsbild fordert ein bestimmtes Leitungs-, und Führungsverständnis. Dieses gilt es in den Teamentwicklungsprozessen einzubringen und (und das wird vielfach zur Konfrontation führen) einzufordern. Im Rückgriff auf Kapitel 4 ergibt sich ein Prozess der Teamentwicklung, der im Energiefeld der Polaritäten zwischen fordern und fördern, sowie schützen und stützen erfolgt.32
  2. Die Gemeinden brauchen ein neues Selbstverständnis, um die Pastoral in einem größeren Raum zuerst denken, und dann entwickeln zu können. Hierfür fehlen tragfähige Bilder – bei Hauptberuflichen, wie bei Ehrenamtlichen.

Ein Beispiel verdeutlicht dies: Leitende Pfarrer hatten im Leiterkurs keine Schwierigkeit, sich perspektivisch, reflexiv und konstruktiv mit den Inhalten des Zukunftsbildes auseinander zu setzen. Es war aber zunächst nicht möglich, die im Zukunftsbild beschriebene zukünftige Gestalt einer Pastoral in größeren Räumen in ein ganz konkretes Bild für den eigenen Raum zu transferieren. Es brauchte hierfür ein Beispiel durch die Kursleitung. Das heißt: Die vorhandenen Bilder, wie die Pastoral in einem großen Raum verändert werden kann, müssen inspiriert und gehoben werden.

  1. Die Evaluation der ersten Prozesse hat als ein Ergebnis hervorgebracht, dass eine geistliche Orientierung und Grundlegung im Sinne des Zukunftsbildes nur bedingt stattfand. Für uns als Beratungsdienste stellt sich daher immer wieder neu die Frage, wie wir die Prozesse durchgängig so gestalten, dass die geistliche Grundlegung und Durchdringung gefördert wird. Es gibt den erkennbaren Bedarf an geistlicher Begleitung in den Entwicklungsprozessen.
  2. Der erweiterte Zusammenschluss mehrerer Pastoralverbünde zum Raum ist darüber hinaus häufig eine Wiederholung des bereits erlebten Zusammenschlusses einzelner Pfarreien zu Pastoralverbünden, nicht selten verbunden mit abermaliger Ressourcenverknappung auf der Seite des pastoralen Personals. Häufig wird der Prozess daher (abermals) als reiner Strukturprozess verstanden, in dem es um Verteilungsgerechtigkeit der verbliebenen Ressourcen und um ausgewogene Berücksichtigung der bisherigen Standorte geht. Viel Energie ist in die Beschreibung der Ist-Situation geflossen und die Veränderungen konnten eher in Ansätzen, bzw. punktuell beschrieben werden. Pastorale Zukunftsfragen und Neuausrichtungen waren nur bedingt Motor der Prozesse. Eher floss die Energie in die Optimierung des Bestehenden. Wir müssen demnach überprüfen, wie wir die Beratungssettings gestalten, damit sie unmittelbarer neue Perspektiven einnehmen lassen. Die Settings müssen sich dadurch qualifizieren, dass sie zu exemplarischen Lernräumen neuer Erfahrungen in der Beratung werden. Gleichzeitig wird zukünftig mehr und mehr die Beratung mit Ehrenamtlichen als Kunden von Bedeutung werden. Auch das wird Auswirkungen auf die Settings und Designs der Beratung haben müssen: zeitlich, inhaltlich, methodisch.
  3. In dem Maß, wie die Komplexität der zu bewältigenden Aufgaben für die Pastoralteams gewachsen ist, ist ebenso die Frage nach den Qualitätsmerkmalen, dem Selbstverständnis und der Organisation von Zusammenarbeit neu wichtig geworden. Die gremiale Struktur reicht als Kommunikations-, und Entwicklungsplattform nicht mehr aus. Vielmehr braucht es neue Beteiligungsformen, wie Runde Tische, Foren, oder Zukunftswerkstätten. Gleichzeitig müssen neue Formen der organisierten Zusammenarbeit, wie etwa die des Projektmanagement erlebbar und erlernbar sein.
  4. Das Entstehen von Konflikten ist quasi folgerichtig, da zu unterschiedliche Modelle von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft aufeinandertreffen. Auch, bzw. gerade die Konflikte müssen fachgerecht beraten werden.
  5. Für diesen Weg der pastoralen Planung wird ein Zeitraum von zwei Jahren angesetzt. Am Ende dieses zweijährigen Prozesses soll die zukünftige Pastoral für diesen Raum in der Pastoralvereinbarung verbindlich in Zukunftsbild in Zielen und Maßnahmen beschrieben sein. Es gibt vor Ort selten die Kenntnis darüber, welche Architektur diese Prozesse benötigen. Die Rolle des Architekten ist dem Organisationsberater vertraut. Wenn man hinzunimmt, dass die Voraussetzungen der Prozesse individuell beschreibbar sind, braucht es seitens der Beratungsdienste flexible Architekturen, die sich aus der formulierten Standardarchitektur lösen. Ebenso fehlt die Kenntnis, wie sich Herausforderungen und Ziele überhaupt fokussiert und überprüfbar formulieren lassen. Neben der Rolle des Architekten braucht es häufig den Fachberater, oder Lehrer.
  6. Letztendlich wird der gesamte Prozess zusätzlich zu allem Bisherigen in Angriff genommen. Ich sehe hier auch einen Auftrag im Bezug auf die verordnete Es gilt, dem System zu helfen, Unterbrechungen und Freiräume zu gestalten.

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Die Liste ließe sich fortschreiben. Im Blick auf die nächsten Entwicklungsschritte der Beratungsdienste lässt sich der differenzierte Bedarf der Kunden als Herausforderung beschreiben: Es braucht die Erweiterung und Differenzierung des Portfolios der Beratungs-, und Unterstützungsangebote auf Basis der bestehenden Grundprofessionen, damit die Beratungsdienste flexibel in den unterschiedlichen Anfragen aus dem Bereich der Pastoral vor Ort beratend und unterstützend tätig werden können.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Grundanforderung an die Beraterinnen und Berater in einer Multistabilität in den Beziehungen ebenso zu beschreiben ist, wie in der Anforderung an eine Multirollenstabilität, die aus den konkreten Anforderungen im Kundensystem erwächst.33 „Der Coach lebt eine Rollenvielfalt und muss sich in einem Mischkontext als Meister des Ausbalancierens betätigen. Die Situation und der Kontext entscheiden über das richtige Verhalten.“34Die Abbildung Der/die Berater/in als Coach veranschaulicht ein (verändertes) Selbstverständnis als Berater. Darin sehe ich eine weitere Herausforderung für die Beratungsdienste. Es braucht einen internen Prozess, um ein gemeinsames Selbstverständnis zu entwickeln.

5.2 Entwicklung des Selbstverständnisses

Der strukturelle Zusammenschluss kam für alle Beraterinnen und Berater überraschend. Die Begründung ist ganz einfach: Sie waren an der Entwicklung dieser strategischen Neuausrichtung nicht beteiligt. Das Echo fiel daher geteilt aus. Die Auseinandersetzung mit den vermuteten Zielen des Sinnstifters und die Sorge um eine mögliche Vermischung der Professionen und dem damit verbundenen Verlust an Bedeutung im System zeigte sich in der Sorge um die eigene Identität. Insbesondere aus dem Bereich der Supervisoren wurden diese Irritationen deutlich formuliert. Und diese Irritation hat ihre Geschichte, ist in gewisser Weise eine Wiederholung der in Kapitel 1.2 beschriebenen Veränderungen der Beratungsdienste im Blick auf die Beratung der Pastoralen Räume. Auch hier wurde die strategische Veränderung von der Leitung gesetzt. Aus der Geschichte der Beratungsdienste lässt sich das in der Wirkung als ein Wandel der Unternehmenskultur empfinden, der gewissermaßen wie eine wiederholte strukturellen Kränkung wirkt: Wurde in der Gründungsphase ganz auf die Kompetenzen der handelnden Akteure gesetzt, so wurden die nachfolgenden Strategieveränderungen ohne direkte Beteiligung getroffen. Angenommen man hätte die Kompetenzen der Beraterinnen und Berater in dieser Phase der Entscheidung genutzt und Beteiligung ermöglicht, dann hätte sich selbst bei einem angenommenen identischen Ergebnis der gemeinsame Prozess sowohl positiv auf der Ebene der Arbeitsbeziehungen, als auch auf die Motivation zur Entwicklung nachfolgender Schritte ausgewirkt.

„Der Coach lebt eine Rollenvielfalt und muss sich in einem Mischkontext als Meister des Ausbalancierens betätigen. Die Situation und der Kontext entscheiden über das richtige Verhalten.“ (Dessoy)

Es ist sicherlich ein Qualitätsmerkmal innerhalb der Beratungsdienste, und hier speziell der Supervisorinnen und Supervisoren, dass die Irritation in der Kommunikation angezeigt wurde und anfänglich zur Verlangsamung im Blick auf Entwicklung geführt hat. Es wurde ein Entwicklungsschritt vereinbart, der aber sicher noch einmal vergewissert werden muss: Ab 2016 finden die Kontrollsupervisionen neu in gemischten Gruppen von Gemeindeberatern und Supervisoren statt. Gleichzeitig soll darauf geachtet werden, dass Klausurtage in den verschiedenen Professionen weiterhin möglich werden, um Räume für die Entwicklung der eigenen Profession zu erhalten. Es lassen sich viele Hypothesen anstellen, worum es eigentlich geht: Es geht um die Soge um die eigene Identität, oder um die strukturelle Kränkung einer Profession, bzw. Einzelner, oder um einen nicht bearbeiteten Konflikt zur Leitung der Beratungsdienste, oder um die Stellung von Gründungsvätern im Entwicklungsprozess, oder es hat überhaupt nichts mit den Beratungsdiensten zu tun, sondern es geht um eine Spiegelung im Gesamtsystem im Bezug auf verordnete Entwicklungsgeschwindigkeit, …. Ich sehe daher die Notwendigkeit, weiter achtsam zu sein im Blick auf die Wirkung der Veränderungen auf die Beraterinnen und Berater, um Verwerfungen oder auch Konflikte frühzeitig wahrzunehmen, adäquat aufgreifen und zum Wohle des Ganzen und jedes Einzelnen lösen zu können. Es geht nicht nur um Integration zweier Grundprofessionen in eine neue Struktur, sondern auch um die Integration der 30 individuellen Selbstverständnisse aller Beraterinnen und Berater. Es wird wesentlich davon abhängen, ob wir ein gemeinsames Selbstverständnis entwickeln können, in dem die persönliche Identifikation als Supervisor, bzw. Gemeindeberaterin integriert ist in die Identifikation mit der neu gegründeten „Firma“. Ein Ansatzpunkt kann darin liegen, die gelungene Zusammenarbeit zu reflektieren, um daraus Themen zu heben und die nächsten Schritte zu planen. Dabei muss der Auftrag im Vordergrund bleiben, die Beratungsdienste im Blick auf die Kunden und für den Bistumsprozess weiterzuentwickeln. Diesen Prozess zu initiieren und zu steuern, ist ebenso Aufgabe der Leitung, wie es von Bedeutung ist, wie wir uns als Leitung der Beratungsdienste verstehen und organisieren.

5.3 Leiten und Führen als Gemeinschaftsaufgabe

Im Zukunftsbild wird das Leitungs-, und Führungsverständnis sehr klar beschrieben: Alle, die in der Kirche Führung und Leitung wahrnehmen, sollen Charismen entdecken und wecken, sie sollen ermutigen, befähigen, begleiten, sammeln und Einheit stiften. Ihr Handeln soll dabei partnerschaftlich, dialogisch, kommunikativ, kooperativ und situativ sein.35 An anderer Stelle wird die Anforderung formuliert, Visionen  aufzuzeigen, zu entwickeln und zu kommunizieren. Die Führungskraft soll inspirieren, Begeisterung wecken für Werte, Ziele und Aufgaben, sie soll neue Ideen und Wege aufbringen und von der Zukunft her führen.36 Das kommt dem sehr nahe, wie Klaus Doppler die Anforderungen an Führungshandeln beschreibt. Er skizziert die Grundsituation als Leben in einem permanenten Ausnahmezustand, grundsätzlich und vermutlich noch auf längere Zeit instabil, turbulent und unkalkulierbar. Führungsmerkmale sind für ihn dann Zukunftsorientierung, Interesse an beobachtbaren Entwicklungen, Flexibilität und Reaktionsschnelligkeit. Es gilt dabei Entscheidungen zu treffen, deren Auswirkungen nicht vollständig übersehbar sind. Dahinter liegt für ihn ein neues mentales Modell einer Organisation, die in einem hoch kommunikativen Prozess mit sämtlichen relevanten Berührungspunkten im Austausch ist, um sich ständig den neuen Herausforderungen anzupassen.37 Diese Komplexität erfordert ein verändertes Führungsverständnis, nämlich den Wandel vom Macher zum Coach: „Diesem mentalen Modell des Managers als Macher, Retter, Lichtgestalt, der immer weiß, wo es langgeht, steht ein anderes gegenüber: der Manager als Systemarchitekt, Katalysator, Trainer, als Spielführer, der sich und die Mannschaft flexibel auf sehr unterschiedliche Situationen einzustellen, und dadurch den Erfolg herbeizuführen vermag.“38 Und an anderer Stelle sagt Doppler: „Gefragt sind Manager, die es schaffen, die Mitspieler erfolgreich zu machen.“39

Unbenannt
Das Bild vom Coach ist ein geeignetes, und, im Rückgriff auf das Metaformat „Coaching als integrative Beratungsform“ für die Beratung, ein konsequentes Bild für das Selbstverständnis als Leitung der Beratungsdienste. Die Weiterentwicklung der Beratungsdienste wird dann zur Gemeinschaftsaufgabe, in der alle Beraterinnen und Berater Führung und Leitung übernehmen.40

Dadurch ändert sich ihre Position im Wertschöpfungsprozess. Sie werden vom Mitarbeiter auf operativer Ebene zum Manager, Trainer, oder Entwickler. Die Zielrichtung als Leitung ist dann, allmählich die Regie in Teilbereichen aus der Hand zu geben und selbst die Rolle des Leaders/ Inspirators zu übernehmen, der über den Tellerrand schaut und die strategische Ausrichtung vorgibt.

Dieses Verständnis ist in den Beratungsdiensten sicherlich gut anschlussfähig. Besonders auch deshalb, weil mit den einzelnen Beraterinnen und Beratern ein enormes Know How und Innovationspotential zur Verfügung steht, das immer schon eingebracht wurde. Gleichzeitig gibt dieses Führungsverständnis als Coaching eines Teamentwicklungsprozesses wiederum Impulse für die Beratung: Beratung ist daran zu messen, inwieweit es gelingt, die Teams so zu coachen, dass sie mehr und mehr selber die Regie für die Entwicklung ihres Referenzsystems übernehmen. Es geht um Unterstützung des nächsten Lernschrittes in der Perspektive von Selbststeuerung und Autonomie.41 Ein Leitungscoaching ist in diesem Verständnis nicht mehr wahlweise, sondern Standard – auch für uns als Leitung der Beratungsdienste.

Die Weiterentwicklung der Beratungsdienste wird dann zur Gemeinschaftsaufgabe, in der alle Beraterinnen und Berater Führung und Leitung übernehmen.

Für die Leitung der Beratungsdienste sehe ich also die erste Herausforderung darin, ein mit dem Zukunftsbild korrespondierendes, gemeinsames Leitungsverständnis zu entwickeln, die Zusammenarbeit untereinander und mit der Leitung abzustimmen und transparent zu kommunizieren, damit die strategische und konzeptionelle Weiterentwicklung der Beratungsdienste in Zusammenarbeit mit den wichtigen Akteuren und im Zukunftsprozess des Bistums leichter möglich wird. Im Blick auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter besteht die Herausforderung, die Personalentwicklung und Förderung auch im Sinne von Charismenorientierung neu zu beleben.

Ich sehe dabei ganz konkrete Ansatzpunkte zur Förderung des Entwicklungsprozesses:

  • Es braucht eine vereinbarte Feedback-Kultur in den Beratungsdiensten, um in einem Dialog des gemeinsamen Lernens zu bleiben und Störungen frühzeitig aufgreifen zu können.
  • Förderlich ist ein integratives, teamorientiertes Selbstverständnis, das sich in der Organisation eines transparenten Ressourcen-Netzwerkes abbildet. Im wechselseitigen Wissen um die beraterischen Specials und auch Grenzen würde eine Zusammenarbeit über die Beratung im Tandem ermöglicht und gefördert.
  • Das Ausprobieren neuer Beraterkonstellationen ermöglicht innovative Erfahrungen. Denkbar sind für mich zum Beispiel Beratungen von Pastoralen Räumen im Tandem zwischen Gemeindeberater/ Supervisor und Geistlichem Begleiter, bzw. Mitarbeiter der lokalen Kirchenentwicklung. Hierzu wird es auch einen internen Diskurs benötigen, wie unsere Beratung geistlich fundiert sein soll/ sein muss.
  • In einem integrativen Beratungsverständnis ist Differenzierung wünschenswert und zu ermöglichen. Damit würde sich das Bild eines formatierten Berater-Typus in einem formatierten Beratungsformat der Pastoralen Räume ebenso auflösen, wie die eigene Identität gestärkt würde.
  • Die Vernetzung mit relevanten Stellen, Personen auf Bistumsebene, des Dekanates, oder auch Teilprojekten zur Umsetzung des Zukunftsbildes wird aktiv betrieben, um kritische Reflexionsräume zu eröffnen und damit die Lernperspektiven gegenseitig zu erweitern.
  • Gleichzeitig können Kooperationen vernetzter Zusammenarbeit entwickelt werden, zum Beispiel im Bereich Training und Fortbildung. Ein Qualitätsmerkmal solcher Formate kann sein, dass sie die Vernetzung über die Grenzen der Pastoralen Räume hinaus anregen, um vor Ort die Entwicklung von selbstorganisierten, kollegialen Unterstützung-, und Beratungsräumen zu fördern.

Als Leitung der Beratungsdienste ist dreifache Loyalität gefragt: Loyalität gegenüber dem Auftraggeber Erzbistum Paderborn, Loyalität gegenüber dem Kundensystem in den Gemeinden und Loyalität gegenüber dem eigenen System der Beraterinnen und Berater. Diese dreifache Loyalität wird Spannungsfelder erzeugen. Es gilt, diese Spannungsfelder nicht nur auszuhalten, sondern in der Spannung zu agieren. Dabei wird es ein Qualitätsmerkmal sein, inwieweit es gelingt, als Leitung gut im Kontakt zu den eigenen Grenzen und Möglichkeiten zu bleiben und diese auch zu kommunizieren. Was es dabei anfänglich lediglich braucht, ist die verbindliche Vereinbarung über ein vorläufiges Selbstverständnis. Ich habe hier nur meins beschrieben. Dieses gilt es nun ins Gespräch zu bringen – in der Offenheit und Bereitschaft, miteinander lernen zu wollen – als Leitungsteam.

Schlusswort

Organisationsentwicklung ist eigentlich ganz einfach:

  1. Beschreiben lassen, wie eine gelungene Zukunft aussehen wird und wie man dahin kommen will.
  2. Förderung von verbindlicher Kommunikation in Haltung und Kultur, sowie Irritation der vorhandenen Struktur.
  3. Als Berater den Ausstieg planen.

Mehr nicht.

Die Anfänge sind beschrieben. Ende offen. Entwicklung ist möglich.

  1. Vgl. Erzbischöfliches Generalvikariat Paderborn, Hauptabteilung Pastorale Dienste (Hrsg.). Paderborn 2010. Leitfaden zur Gestaltung der neuen Pastoralen Räume und zur Entwicklung von Pastoralvereinbarungen.
  2. Anmerkung: Die Bezeichnung „Fachstelle Pastorale Beratungsdienste“ ist nur ein Arbeitstitel, da es bisher keine offizielle Bezeichnung für die neu geschaffene Struktur gibt.
  3. V. Dessoy in V. Dessoy, G. Lames (Hrsg.). (Trier 2008). Denn sicher gibt es eine Zukunft: Strategische Perspektiven kirchlicher Organisationsentwicklung, S. 32f.
  4. „Ein persönliches Anliegen möchte ich diesem „Wegzeichen“ voranstellen. Im Text finden sich zwei Bibelstellen, an denen sich das gesamte Zukunftsbild ausrichtet. In beiden Stellen geht es um die Verbundenheit mit Jesus Christus, dem Herrn der Kirche. Seiner Gegenwart und dem Wirken seines Geistes dürfen wir vertrauen. Wenn wir uns als Kirche von Paderborn in seiner Sendung vom Vater her verstehen, nimmt unsere je eigene Berufung immer mehr und tiefer Gestalt an.“ Erzbischof Becker in:  Erzbischöfliches Generalvikariat (Hrsg.). 2014. Das Zukunftsbild für das Erzbistum Paderborn, S. 6.
  5. Ebd., S. 19.
  6. Ebd., S. 29.
  7. Ebd. S.18ff.
  8. Vgl. C. Hennecke (Würzburg 2014) Seht ich schaffe Neues – schon sprosst es auf, S. 10: „Wir beurteilen kirchliche Entwicklung in der Regel oft auf dem Hintergrund, wie es früher war und wie es heute nicht mehr ist. […] Und das bewerten wir tendenziell negativ und lange Zeit haben wir die Entwicklung der Kirche in unserem Land eher unter dem Stichwort des Niedergangs  gesehen. Das Wort des Jesaja lädt ein, anders auf die Wirklichkeit zu schauen, und zwar mit den Augen des Glaubens, ja man könnte fast sagen: mit den Augen eines Menschen, der daran glaubt, dass Gott heute, in dieser Zeit – wie zu allen Zeiten – agiert und handelt und dass es darum geht zu entdecken, was er heute tut, wie er heute in der Menschheit gegenwärtig ist und wie er heute sein Volk sammelt.“ (Anmerkung: Bezug ist der Bibelvers Jes 43, 19a)
  9. Erzbischöfliches Generalvikariat (Hrsg.). Paderborn 2014. Das Zukunftsbild für das Erzbistum Paderborn, S. 36 – 41.
  10. Ebd., S. 101.
  11. Ebd., S. 5.
  12. „Ein Leitbild drückt kurz und präzise und verständlich aus, welche wesentlichen Werte für das Unternehmen wichtig oder verbindlich sind und wohin es sich orientiert. Es enthält also Soll-Vorstellungen über die erstrebenswerte Gestaltung des Unternehmens und seiner Zukunft. […] Genau genommen ist das Leitbild ein Führungsinstrument der unternehmerischen Rahmenplanung, mit dem Unternehmensgrundsätze, Policies etc. in expliziter Weise formuliert werden. In diesem Sinne dient es als Orientierungsrahmen für sämtliche operativen und strategischen Entscheidungen eines Unternehmens.“ Simon, W. (2. Aufl. 2009): GABALs großer Methodenkoffer Führung und Zusammenarbeit, S. 198.
  13. Erzbischöfliches Generalvikariat Paderborn (Hrsg.) (Paderborn 2014): Schritte zur Umsetzung – Anlage 1 zum Zukunftsbild; Orientierung für das pastorale Personal – Anlage 2 zum Zukunftsbild; Theologische Beiträge zur Pastoral der Berufung – Anlage 3 zum Zukunftsbild.
  14. Erzbischöfliches Generalvikariat (Hrsg.). (Paderborn 2014). Das Zukunftsbild für das Erzbistum Paderborn, S.100.
  15. Nagel, R./ Wimmer, R. (Stuttgart, 2. Aufl. 2004) Systemische Strategieentwicklung – Modelle und Instrumente für Berater und Entscheider S. 71 – 92.
  16. Vgl. ebd., S. 349ff.
  17. Dessoy, V.,  Den Anker in die Zukunft werfen – Strategisches Management, in: Dessoy, V./ Lames, G./ Lätzel, M./ Hennecke, C. (Hrsg.). (Trier 2015) Gesellschaft und Kirche – Wandel gestalten, Band 4; Kirchenentwicklung Ansätze – Konzepte – Praxis – Perspektiven, S. 141.
  18. Becker, H.J. (2014). Diözesanes Forum. http://www.zukunftsbild-paderborn.de/beitraege/detail-beitraege/datum/2014/10/25/neues-zukunftsbild-fuer-das-erzbistum-paderborn-auf-dioezesanem-forum-vorgestellt-und-in-kraft-geset/.
  19. Nagel, R./ Wimmer, R. (Stuttgart, 2. Aufl. 2004) Systemische Strategieentwicklung – Modelle und Instrumente für Berater und Entscheider, S. 81.
  20. „Kultur ist die Summe der Überzeugungen, die eine Gruppe, ein Volk oder eine Gemeinschaft im Laufe ihrer Geschichte entwickelt hat, um mit den Problemen der internen Integration (Zusammenhalt) sowie der externen Anpassung (Überleben) fertig zu werden. Sie ist die Summe der Regeln (>>To do´s<< und >>Not to do´s<<), die so gut funktionieren, dass sie zu >>ungeschriebenen Gesetzen<< werden und jeder nachfolgenden Generation als die >>richtige<< Art des Denkens, des Fühlens und des Handelns weitergegeben werden.“ Doppler K., Lauterburg C. zitiert in: Dessoy, V., Lames, G., (Hrsg.). (Trier 2012) „Siehe, ich mache alles neu“ (Off 21,5) Innovation als strategische Herausforderung in Kirche und Gesellschaft, S.84.
  21. Glatz, H., Graf-Götz, F. (Weinheim und Basel 2007) Handbuch Organisation gestalten, S. 139.
  22. Ebd., S. 141.
  23. Ebd., S. 306ff.
  24. Ebd., S. 309
  25. Vgl. Erzbischöfliches Generalvikariat (Hrsg.). 2014. Das Zukunftsbild für das Erzbistum Paderborn, S.42.
  26. Ebd., S. 52, S. 68.
  27. Ebd., S. 64.
  28. Dabei fällt die gewählte Formulierung im Zukunftsbild in ihrer Schärfe durchaus auf. Schon der einleitenden Satz – „Ein geistlich verstandener Dienst in der Kirche wird verraten, sobald…“ – hat, zumindest bei mir, auch eine irritierende Wirkung gehabt. Das Wort Verrat ist in unserer christlichen Religion mit dem Verrat des Judas substantiell belegt: Angenommen ich handle nicht in dem beschriebenen Anspruch, dann verrate ich die Sache Jesu, bzw. Jesus selbst.

    Der Boden, auf den eine Nachricht bei mir fällt, hängt immer auch damit zusammen, wie sich meine Beziehung zum Sender gestaltet. Watzlawik beschreibt dies mit dem Inhalts- und Beziehungsaspekt, den jede Botschaft enthält. Schulz von Thun sieht dies noch differenzierter, indem er von einem ganzen Bündel von Botschaften spricht, die durch eine Nachricht übermittelt werden. Jede Nachricht trifft auf 4 Ohren: auf das Sachohr, das Selbstaussagenohr, das Beziehungsohr und das Appellohr. (vgl. V. Dessoy, 2008. Systemische Beratung, Reader. S. 42ff) Es geht also um die Wirkungen, die durch eine Nachricht hervorgerufen werden. Die Wirkung entstand bei mir primär auf dem Beziehungsohr: Ich habe mich beim ersten Lesen unmittelbar mehr gefragt, wie ich gesehen und in meinem Handeln wahrgenommen werde, als dass ich bewusst auf die inhaltlichen Aspekte geschaut habe. Gleichzeitig hat mich die Formulierung “Ein geistlich verstandener Dienst in der Kirche…“ zu der Annahme verleitet, der Verfasser „Bistum“ würde hier ein spezifisches Problem pastoraler Mitarbeiter in der Gemeindepastoral aufgreifen. Zumal der Satz im Zukunftsbild im Kapitel 4 „Einige Schlüsselthemen pastoralen Handelns“ steht, kann man das auch so verstehen. Unterstellt man dem Verfasser aber ein Selbstverständnis, das auch das Handeln auf Bistumsebene letztendlich ein pastorales Handeln ist, bzw. er sich bei allen auf die Pastoral formulierten Anforderungen immer mit meint, dann ist die Botschaft anders annehmbar: Dann wird auf ein Problem hingewiesen, dass grundsätzlich in der Kirche von Paderborn auf allen Ebenen besteht und sehr deutlich eingeordnet und benannt werden muss. Der Appell zur Selbstreflexion des eigenen Handelns ist dann leichter annehmbar.

    Ich versuche trotzdem einmal eine Umformulierung, die zwar etwas von ihrer konfrontativen Kraft einbüßt, aber aus meiner Sicht eher wertschätzend ausbalanciert ist: „Ein geistlich verstandener Dienst in der Kirche wird in seinen vielfachen Anforderungen leichter möglich, wenn sich jede Person, ob geweihter Amtsträger oder beauftragter Laie, innerlich öffnen kann, um die Interessen aller wahrzunehmen. Wir alle, die in der Kirche Führung und Leitung wahrnehmen, brauchen uns nicht unter den Druck zu setzen, oder setzen zu lassen, dass allein von uns und unserem Handeln das Wohl oder Wehe der Kirche abhängt. Wir dürfen darauf vertrauen, dass Christus selbst durch uns handeln wird. Das heißt konkret und mit einem hohen Anspruch formuliert: Wir sollen und können Charismen entdecken und wecken, wir sollen und können ermutigen, befähigen, sammeln und Einheit stiften. Dazu braucht es ein Handeln, das partnerschaftlich, dialogisch, kommunikativ, kooperativ und situativ ist.“

  29. Vgl. Liska, G. in Schreyögg, A./ Schmidt-Lellek, C. (Hrsg.) Wiesbaden 2009. Die Organisation in Supervision und Coaching, S. 29.
  30. V. Dessoy in V. Dessoy, G. Lames (Hrsg.). (Trier 2008). Denn sicher gibt es eine Zukunft: Strategische Perspektiven kirchlicher Organisationsentwicklung, S. 43.
  31. Erzbischöfliches Generalvikariat (Hrsg.). Paderborn 2014. Orientierung für das Pastorale Personal – Anlage 2 zum Zukunftsbild., S. 42.
  32. Vgl. Pohl, M. u. Fallner, H. Wiesbaden 2009. Coaching mit System, 3. erweiterte Auflage., S. 61ff.
  33. Vgl. Dessoy, V. 2008. Systemische Beratung – Reader, S. 68.
  34. Dessoy, V. 2015. Coaching – Manuscript, S. 12.
  35. Erzbischöfliches Generalvikariat (Hrsg.). 2014. Das Zukunftsbild für das Erzbistum Paderborn, S.64.
  36. Erzbischöfliches Generalvikariat (Hrsg.) Paderborn 2014.: Anlage 2 Orientierung für das Pastorale Personal., S. 36/ 43/ 51.
  37. Vgl. Doppler, K. in K. Doppler (Hrsg.) 1/ 2006: Zeitschrift OrganisationsEntwicklung, S. 29ff.
  38. Ebd., S. 31.
  39. Ebd., S. 31.
  40. „Unabdingbar wird ein Leitungsverständnis, das Partizipation an Leitungsaufgaben zulässt – und dieses will gelernt sein.“ in: Erzbischöfliches Generalvikariat (Hrsg.) Paderborn 2014.: Anlage 2 Orientierung für das Pastorale Personal., S. 23.
  41. Dessoy, V. 2009. Führungs- und Leitungskultur, 15 Thesen, S. 3.

Literatur

  • Dessoy, V.: Systemische Beratung, Reader 2008.
  • Dessoy, V.: Führungs- und Leitungskultur, 15 Thesen, Manuscript 2009.
  • Dessoy, V.: Coaching – Manuscript 2015.
  • Dessoy, V., Lames, G., (Hrsg.): Denn sicher gibt es eine Zukunft (Spr 23,18): Strategische Perspektiven kirchlicher Organisationsentwicklung. Trier 2008. Paulinus Verlag GmbH.
  • Dessoy, V./ Lames, G./ Lätzel, M./ Hennecke, C. (Hrsg.): Gesellschaft und Kirche – Wandel gestalten, Band 4; Kirchenentwicklung Ansätze – Konzepte – Praxis – Perspektiven. Trier 2015. Paulinus Verlag GmbH.
  • Dessoy, V., Lames, G., (Hrsg.): Gesellschaft und Kirche – Wandel gestalten, Band 2; „Siehe, ich mache alles neu“ ((Off 21,5) Innovation als strategische Herausforderung in Kirche und Gesellschaft. Trier 2012. Paulinus Verlag GmbH.
  • Doppler, K. (Hrsg.): Zeitschrift OrganisationsEntwicklung 1_06. München 2006. Verlagsgruppe Handelsblatt GmbH Düsseldorf.
  • Erzbischöfliches Generalvikariat (Hrsg.): Das Zukunftsbild für das Erzbistum Paderborn. Paderborn 2014. Bonifatius GmbH Druck-Buch-Verlag.
  • Erzbischöfliches Generalvikariat (Hrsg.): Anlage 1 Schritte zur Umsetzung des Zukunftsbildes für das Erzbistum Paderborn. Paderborn 2014. Bonifatius GmbH Druck-Buch-Verlag.
  • Erzbischöfliches Generalvikariat (Hrsg.): Anlage 2 Orientierung für das Pastorale Personal. Paderborn 2014. Bonifatius GmbH Druck-Buch-Verlag.
  • Erzbischöfliches Generalvikariat (Hrsg.): Anlage 3 Theologische Beiträge zur Pastoral der Berufung. Paderborn 2014. Bonifatius GmbH Druck-Buch-Verlag.
  • Erzbischöfliches Generalvikariat Paderborn, Hauptabteilung Pastorale Dienste (Hrsg.). Paderborn 2010. Leitfaden zur Gestaltung der neuen Pastoralen Räume und zur Entwicklung von Pastoralvereinbarungen.
  • Glatz, H., Graf-Götz, F.: Handbuch Organisation gestalten. Weinheim und Basel 2007. Beltz Verlag.
  • Groth, A.: Führungsstark im Wandel. Change Leadership für das mittlere Management. Frankfurt, New York 2011. Campus Verlag GmbH.
  • Hennecke, C., Stollhoff, B.: Seht ich schaffe Neues – schon sprosst es auf. Würzburg 2014. Echter Verlag GmbH.
  • Nagel, R./ Wimmer, R.: Systemische Strategieentwicklung – Modelle und Instrumente für Berater und Entscheider. Stuttgart 2. Aufl. 2004. Klett-Cotta Verlag.
  • Pohl, M. u. Fallner, H.: Coaching mit System, 3. erweiterte Auflage. Wiesbaden 2009. VS Verlag für Sozialwissenschaften, GWV Fachverlage GmbH.
  • Schreyögg, A./ Schmidt-Lellek, C. (Hrsg.): Die Organisation in Supervision und Coaching. Wiesbaden 2009. VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Simon, W.: GABALs großer Methodenkoffer Führung und Zusammenarbeit. Offenbach 2. Aufl. 2009. Lizenzausgabe für Jokers der im GABAL Verlag Offenbach erschienenen Originalausgabe.

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