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Foto: Schub@: take a seat, read a book (CC BY-NC-SA 2.0)

Service & Dialog

Frank Reintgen

Buchrezension: Ahmad Mansour: Klartext zur Integration. Gegen falsche Toleranz und Panikmache

Ahmad Mansour ist ein deutsch-israelischer Psychologe und Autor. Er lebt seit 2004 in Deutschland und beschäftigt sich mit Projekten und Initiativen gegen Radikalisierung, Unterdrückung im Namen der Ehre und Antisemitismus in der islamischen Gemeinschaft. Mit seinen Büchern und Beiträgen in diversen Zeitungen ist er zu einem viel gefragten Gesprächspartner für das Thema Integration geworden und gilt inzwischen als ausgewiesener Islamismus-Experte. Neben seiner Tätigkeit als Gruppenleiter bei “Heroes”, einem Projekt für Gleichberechtigung, arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter in dem Projekt “ASTIU” (Auseinandersetzung mit Islamismus und Ultranationalismus) und bei der Beratungsstelle Hayat mit, wo er gefährdete Jugendliche und deren Angehörige berät. 2019 erhielt er den Menschenrechtspreis der Gerhart und Renate Baum-Stiftung.

Auch in seinem 2018 erschienen Buch „Klartext zur Integration. Gegen falsche Toleranz und Panikmache“, das aktuell auch als Sonderausgabe bei der Bundeszentrale für politische Bildung zu beziehen ist, setzt er sich mit dem Thema Integration auseinander.

Mansour, selber muslimischer Immigrant, blickt sowohl mit dem Erfahrungshintergrund der eigenen Biographie als auch mit professioneller Analyse auf die Janusköpfigkeit von Integration. Er setzt sich mit der Frage auseinander, wie Integration von Migranten im Spannungsfeld von Toleranz und notwendiger Anpassung gelingen kann. Integration, so Mansour, fordert alle heraus: „Wir müssen uns fragen, was wir von Menschen, die in unser Land kommen, verlangen dürfen – und sie von uns.“

Die Diskussionen in Deutschland, so die Analyse Mansours, seien oft von Vorurteilen und Verallgemeinerungen geprägt. Demzufolge fordert er, dass „wir eine Gesellschaft von Demokraten sein (sollten), die Demokratie, Offenheit, Toleranz und Akzeptanz vermittelt und verteidigt. Grundsätzlich. Immer.“ Er plädiert, „eine Integration zu schaffen, die Unterschiede nicht verurteilt, aber auch nicht zelebriert, sondern Regeln festhält, an die sich alle halten müssen.“

Sein Buch sammelt Geschichten und Portraits von Menschen, die Freiheit und Gleichheit nicht mit ihrem Weltbild in Einklang bringen können oder wollen. Sehr plastisch beleuchtet er soziale Lebenslagen oft junger Menschen, Umstände und Erfahrungen, die Integration massiv erschweren. Mansour sieht Politik und Gesellschaft gleichermaßen in der Pflicht und mahnt zu Offenheit, Sachlichkeit und Gesprächsbereitschaft. Insbesondere Verantwortliche in Sozialarbeit und Verbänden, aber auch Lehrende und Eltern ruft er auf, die Einladung des Grundgesetzes zur Teilhabe zu verbreiten und anzunehmen.

Für Mansour gehört es zur unaufgebbaren Grundlage des Zusammenlebens, die im Grundgesetz festgelegte demokratische Grundordnung anzuerkennen und zu achten. „Wer die freie Art und Weise ablehnt, wie Menschen hier leben, wer Gesetze und Demokratie abwertet, der wird kaum eine Chance haben, hier anzukommen oder akzeptiert zu werden. Und um beides geht es.“

Damit Integration gut gelingen kann, brauchte es politisch kluge Konzepte und gesamtgesellschaftlich wirksame Maßnahmen, die helfen, potenzielle Ängste und Vorbehalte gegenüber der freien Gesellschaft abzubauen.
Er denkt dabei an ein ganzheitliches Maßnahmenbündel, dass Schule, Nachbarschaft und Arbeitswelt umfasst. Ziel müsse es sein, bundesweite Standards eines Integrationsprozesses zu etablieren. „Das zu tun, die passenden, stabilen Brücken zu bauen, um Konfliktpotential zu verringern, ist Kernaufgabe der aufnehmenden Gesellschaft. Über die Brücke zu gehen, um wirklich anzukommen, ist Kernaufgabe der Neuankömmlinge.“
Masour schlägt zehn konkrete Schritte bzw. Maßnahmen für die konkrete Politik vor, die gelingende Integration ermöglichen sollen:

  • Integration ohne politische Ängste angehen
  • Integrationsarbeit standardisieren, evaluieren und professionalisieren
  • Bildungsarbeit und Sozialarbeit reformieren und neu konzipieren
  • Einberufung eines Bundesgipfels zur Vermittlung der Werte des Grundgesetztes
  • Ein Einwanderungsgesetz auf den Weg bringen. Jetzt!
  • Integrationsleistungen belohnen
  • Selbstbewusstes und entschiedenes Auftreten des Staats
  • Aktive Förderung einer Kultur der Inklusion
  • Paten- und Mentorensystem einführen
  • Staatliche Förderung der innerislamischen Debatte.

Diese zehn Maßnahmen werden am Ende des Buches genauer entfaltet und bilden als Fazit gewissermaßen das Zentrum des Buches. Sie werden im letzten Kapitel ausführlich entfaltet und begründet.
Mansour versteht es, Dinge auf den Punkt zu bringen. Manche Formulierung mag dem ein oder der anderen drastisch erscheinen oder zum Widerspruch herausfordern. Anderes hat man so oder so ähnlich schon öfters gehört. Und doch, unbestreitbar gelingt Integration in Deutschland zurzeit viel zu selten. Im politischen Diskurs stehen sich rechte und linke Lager unversöhnt gegenüber. Mansour gelingt es, ohne Tabus beide Lager kritisch anzufragen. Auf diese Weise gelingt ihm mit seinen Ausführungen und Vorschlägen ein wichtiger und lesenswerter Beitrag für ein drängendes Thema.

Ahmad Mansour:
Klartext zur Integration. Gegen falsche Toleranz und Panikmache,
Frankfurt Am Main 2018

Aktuell auch als preiswerte Sonderausgabe bei der Bundeszentrale für Politische Bildung erschienen:
Ahmad Mansour:
Klartext zur Integration. Gegen falsche Toleranz und Panikmache,
Bonn 2019

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