012019

Praxis

Anton Wundrak

“Gemacht mit Würde, getragen mit Haltung” – Ein ökofaires Bekleidungs-Startup am Markt

Das junge Berliner Unternehmen dna merch handelt mit ökofairen T-Shirts und ermächtigt dadurch Bekleidungsarbeiterinnen in Europa und Asien. Anton Wundrak Mantovanini aus dem Gründungsteam gibt Einblicke in den bisherigen Werdegang, die Ziele und die täglichen Herausforderungen des Unternehmens, im radikal umkämpften Bekleidungsmarkt mit ethischen Standards ein Markenzeichen zu setzen.

Die Idee zur Gründung des Unternehmens kam uns 2014. Wir wollten sozialkritischen und umweltbewussten Musikbands die Möglichkeit geben, ihren Fans T-Shirts zu verkaufen, die nicht im Widerspruch zu ihren Liedern und politischen Engagements stehen. Authentisch, rückverfolgbar und solidarisch sollte das Ganze sein.

Authentisch, rückverfolgbar und solidarisch sollte das Ganze sein.

Die erste große Herausforderung bestand darin, die richtigen Partnerunternehmen zu finden. Ohne großes Startkapital und nur mit einer Idee ausgestattet mussten wir feststellen, dass das gar nicht so einfach ist. Wir konzentrierten uns zuerst auf die Suche nach einer Näherei. Unser Anspruch war es, dass diese möglichst von den Arbeiter*innen selbst verwaltet wird und nicht nach dem Profitmaximierungsprinzip “konventioneller” Betriebe in der Bekleidungsindustrie funktioniert. Nachdem wir bei unseren Recherchen auf Betriebe in Thailand, Argentinien und Nicaragua aufmerksam wurden, kam dann aus einer Gewerkschaft in Kroatien der Tipp, dass es eine Stunde nördlich von Zagreb eine genossenschaftlich organisierte Näherei gibt. Diese besuchten wir Ende 2014 das erste Mal persönlich und entschieden uns daraufhin zur Zusammenarbeit, nicht zuletzt auch wegen der vergleichsweise relativen räumlichen Nähe.

Bangladeschische Textilarbeiter protestieren für höhere Löhne.

Das nächste Thema war die Beschaffung von Biostoffen. Über die bestehenden Lieferantenstrukturen der Näherei war dies nicht möglich. Am Ende lernte ich auf einer Konferenz die Frau eines Inders kennen, der gerade dabei war, ein faires Textilunternehmen aufzubauen und sich dabei auf die Zusammenarbeit mit kleineren Betrieben in Südindien konzentrierte, für die es schwierig ist, selbst internationale Kunden zu akquirieren. Eines der wesentlichen Erkenntnisse aus der Partnersuche war, dass es wichtig ist, eine Überschneidung bei den Wertvorstellungen zu haben und dass ein ehrliches gegenseitiges Interesse an einer Zusammenarbeit bestehen muss. Von großen Stoffproduzenten bekamen wir entweder gar keine Antwort oder die Mindestabnahmemengen waren zu groß.

Eines der wesentlichen Erkenntnisse aus der Partnersuche war, dass es wichtig ist, eine Überschneidung bei den Wertvorstellungen zu haben und dass ein ehrliches gegenseitiges Interesse an einer Zusammenarbeit bestehen muss.

Nachdem wir jetzt zwei Partner gefunden hatten mit denen wir starten wollten, überlegten wir uns wie wir möglichst viel Aufmerksamkeit auf unsere Alternative lenken können. Außerdem mussten wir uns überlegen wie wir an Geld für die erste größere Stoffbestellung kommen. Wir entschieden uns für eine Crowdfunding-Kampagne und baten Musikbands aus verschiedenen Genres um die Erlaubnis exklusive T-Shirt-Motive von ihnen anbieten zu können. Fast 20 Bands konnten wir von der Teilnahme überzeugen. Die Kampagne bot uns und den Bands die Möglichkeit mit wenig Risiko auszuprobieren, ob unsere Idee gut ankommt. Denn produziert wurden die Shirts erst nach der Kampagne und zwar in genau der Auflagenhöhe wie sie bestellt wurden. Der Fokus auf Bands folgte zum einen der Logik, dass diese tolle Multiplikatoren sind über die wir viel mehr Leute erreichen können als allein, zum anderen hofften wir darauf, dass aus den Bands nach einer erfolgreichen Kampagne Geschäftskunden werden.

Der erhoffte Multiplikatoreneffekt trat ein und die Kampagne war mit über 23.000 Euro Umsatz erfolgreich. Allerdings war es dann doch wesentlich schwieriger Bands davon zu überzeugen, ihre Shirts von nun an bei uns einzukaufen. Nur sehr wenige Bands machten im Nachgang der Kampagne von diesem Angebot Gebrauch. Über die Zeit stellten sich dafür drei wesentlich Gründe heraus: Erstens, die Bands verstanden die Beteiligung an der Kampagne eher als einmalige Aktion statt als Auftakt einer langfristigen Kooperation. Zweitens, die Beteiligung an der Kampagne war für die Bands risikofrei und niedrigschwellig, um jetzt Shirts bei uns einzukaufen mussten die Bands jedoch Geld investieren ohne zu wissen, ob sie die Shirts am Ende auch tatsächlich verkauft bekommen. Drittens, viele der Bands verfügen über langjährige Partnerschaften mit Anbietern.

Immer dann wenn Qualität statt billiger Massenware gefragt ist, haben wir gute Karten.

Zum Jahreswechsel 2016/2017 realisierten wir eine zweite Bandshirt-Kampagne bei der wir über 27.000 Euro umsetzten. Aber auch dieses Mal ließen sich nur ganz wenige Bands im Nachhinein auf eine weiterführende Geschäftsbeziehung ein. Seither konzentrieren wir uns bei der Vermarktung verstärkt auf die Ansprache von Gewerkschaften und anderen Organisationen, die eine Affinität zu den Themen faire Arbeitsbedingungen und Umweltverträglichkeit haben. Wir konnten bereits einige Erfolge verzeichnen, wenngleich wir auch hier oftmals mit anderen wesentlich günstigeren Anbietern in Konkurrenz stehen. Immer dann wenn Qualität statt billiger Massenware gefragt ist, haben wir gute Karten. Shirts für einmalige Aktionen mit Motiven, die nicht alltagstauglich sind, werden bei uns in der Regel nicht angefragt. Und ehrlich gesagt hätten wir mit solchen Anfragen auch ein ethisches Problem, da wir möchten, dass unsere langlebigen Shirts eben auch möglichst lange getragen werden.

“Systemwechsel statt Klimawandel” wollen die Mitarbeiter unseres Kooperationspartners.

In der Gründungsphase – und auch heute noch – sind meine Kollegin Doreen Zelmer und ich auf ein zweites finanzielles Standbein angewiesen. Wir arbeiten in verschiedenen Forschungs- und Beratungskontexten. Ich schwerpunktmäßig zu Themen der sozialen Nachhaltigkeit, Gemeinwohl-Ökonomie, internationale Kooperation von NGOs und Gewerkschaften; meine Kollegin u.a. im Bereich der nachhaltigen Tourismusentwicklung.

Im Zusammenhang mit der Anfrage zu diesem Artikel, wurde ich gebeten etwas zum Thema Marke zu sagen bzw. wie wir es „anstellen“ im globalen Markt der Bekleidungsindustrie eine Marke zu werden. Hierzu ist zu sagen, dass nachhaltige und faire Mode nach wie vor ein Nischendasein fristen auch wenn die Nachfrage kontinuierlich zu steigen scheint. In dieser Nische gibt es jedoch bereits zahlreiche größere Anbieter, die sich auf die Produktion von T-Shirts und anderer Kleidungsstücke spezialisiert haben und diese Wiederverkäufern und Großhändlern wie z.B. der lokalen Textildruckerei kostengünstig und kurzfristig ab Lager zur Verfügung stellen. Diese Unternehmen setzen auf Zertifizierungen und Labels wie Fairtrade oder Global Organic Textile Standard, um das Vertrauen der zunehmend bewusster einkaufenden Kunden zu gewinnen.

Ein T-Shirt, in Würde von unserer kroatischen Partnergenossenschaft hergestellt.

Unser Ansatz hebt sich davon insofern deutlich ab, als dass wir den Aspekt der grenzüberschreitenden Solidarität in der Bekleidungsindustrie ins Zentrum unserer Kommunikation und Handlungen stellen. Nicht nur die Konsument*innen sollen ermächtigt werden, sondern vor allem die Arbeiterinnen. Das gute und möglichst schuldfreie Gefühl beim Einkauf ist wichtig, wichtiger aber ist unserer Meinung nach, dass es in den heutigen Produktionsländern zum Aufbau einer starken und unabhängigen Arbeiterbewegung kommt, die Rechte durchsetzen kann, die gelten auch wenn das Interesse europäischer Verbraucher für faire Mode vielleicht einmal nicht so stark ist. Wir haben daher neben der bewussten Entscheidung für eine genossenschaftliche Näherei auch eine Kooperation mit dem globalen Beschäftigtennetzwerk ExChains initiiert. Hier organisieren sich Arbeiterinnen entlang der textilen Wertschöpfungskette, tauschen sich auf Augenhöhe aus und entwickeln gemeinsame Strategien zum Aufbau gewerkschaftlicher Gegenmacht. In jedes T-Shirt haben wir deshalb den sogenannten “Worker Empowerment Beitrag” eingepreist. Er ist fester Bestandteil der Preiskalkulation und unabhängig davon, ob wir Gewinne machen oder nicht. Das ExChains-Netzwerk finanziert damit Kampagnen- und Erschließungsarbeit in Südasien. Durch diesen Ansatz unterstützen wir zusammen mit unseren Kunden also nicht nur die Arbeiterinnen in unseren eigenen Partnerbetrieben, sondern haben auch eine Wirkung hinein in die konventionelle Industrie, konkret z.B. in Zulieferfabriken großer Modekonzerne wie H&M, Zara oder Primark.

Ergänzend dazu organisieren oder begleiten wir anlassbezogene Soli-Shirt-Kampagnen, mit denen Gelder für verschiedene Zwecke gesammelt werden. Zuletzt war das die überaus erfolgreiche Kampagne „No Victims For Fashion!“ mit der wir verfolgte Bekleidungsarbeiterinnen in Bangladesch unterstützt haben. Aktuell läuft die Kampagne „Shirts for Change“, mit der das INKOTA Netzwerk Geld für Arbeitsrechtschulungen in der indischen Schuhindustrie sammelt.

Es geht um nichts Geringeres als die erste Plattformgenossenschaft in der Bekleidungsindustrie zu werden.

Momentan überarbeiten wir unser Geschäftsmodell und zwei Punkte sind dabei für die Leser*innen vielleicht besonders interessant: Zum Einen wollen wir es Einzelpersonen und Organisationen über eine eigene Internetplattform erleichtern ihre eigenen Shirt-Produktionen abzuwickeln und Gelder mittels risikofreien Vorverkaufs für solidarisch und fair gehandelte T-Shirts einzusammeln. Im Augenblick nutzen wir dafür die Plattform startnext oder unseren Webshop. Zum anderen planen wir in diesem Zusammenhang die Gründung einer Genossenschaft, an der sich dann alle an der Lieferkette beteiligten Firmen, ihre Mitarbeiter*innen sowie die Plattform-Nutzer*innen beteiligen können. Dahinter steht die Vision, dass alle irgendwie am Produkt und seiner Verwertung beteiligten Menschen fair vergütet und an etwaigen Profiten beteiligt werden. Um dieses Vorhaben in die Tat umzusetzen benötigen wir eine Finanzierung bzw. Förderung und die Bereitschaft vieler starker Partner sich an diesem innovativen Unternehmensmodell zu beteiligen. Es geht um nichts Geringeres als die erste Plattformgenossenschaft in der Bekleidungsindustrie zu werden und wir sind gespannt auf den Weg, der jetzt vor uns liegt.

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