22018

Foto: Nathan Dumlao/unsplash

Statements

Regina Laudage-Kleeberg und Florian Kleeberg

Gemeindereferenten und Profis – vom Dualismus zur Diversität 

Provozierende Gegenüberstellungen 

„Leib oder Seele“, „Himmel oder Hölle“, „Heilige*r oder Sünder*in“ – das kirchliche Sprechen war lange Zeit von Dualismen in platonischer Tradition geprägt. Da macht auf den ersten Blick auch die Kombination „Profi oder Laie“ keine Ausnahme, wobei natürlich mit Profi im kirchlichen Kontext zunächst der geweihte Hauptamtliche gemeint ist. Man kann dualistisch gedacht schließlich nur zu einer der beiden Gruppen gehören: „Kleriker oder Laie“. Da ist die Irritation vorprogrammiert, wenn Valentin Dessoy einen vielbeachteten Artikel mit „Kirche braucht Profis, aber keine Gemeindereferenten“1 überschreibt, denn auch hier scheint man nicht beides zugleich sein zu können.

Dualistisches als auch duales Denken sind ein Hemmnis für Entwicklung und Change.

Unsere Überlegungen nehmen im Folgenden allein diese Überschrift in den Fokus und  folgen – wenngleich sehr kursorisch und ohne Anspruch auf Vollständigkeit – der Gedankenspur, dass theologisch und organisationsbezogen sowohl dualistisches als auch duales Denken ein Hemmnis für Entwicklung und Change darstellen. Wir beschreiben, wie sich Sprechen aus dem Dualismus in die Dualität und im besten Fall in die Diversität weiterentwickeln kann. 

„Kirche braucht Profis, aber keine Gemeindereferenten“ – Gemeindereferent*innen sollen also keine Profis sein? Gut – es ist zwar offenkundig, dass man sie nicht zu den drei Weiheämtern (Bischof, Priester, Diakon) zählt, aber sie sind dennoch Hauptberufliche. Wäre es damit nicht gerade ihre Besonderheit, dass sie als Profis Laien sind, also eigentlich mit den Pastoralreferent*innen jene Mischwesen darstellen, die ihre Expertise aus beiden Sphären in ihre Arbeit einbringen können – aus der des Profis und der des Laien? Natürlich nicht, wenn man dualistisch dächte im Gegensatz zu einer dualen Auffassung, die diese Verknüpfung möglich machen würde. 

Die Artikelüberschrift folgt der dualistischen Perspektive. „Profi“ und „Gemeindereferent*in“ werden konfrontativ wie provokativ gegenübergestellt. Dabei gelten Profis als die Menschen mit einem umfassenden Knowhow. Was aber sind dann Gemeindereferent*innen? Ungelernte? Faktisch hat ein*e Gemeindereferent*in selbstverständlich eine Ausbildung genossen und sich Knowhow angeeignet. Er/sie ist im wahrsten Sinne des Wortes auf seinem/ihrem Gebiet profi-liert. Das täuscht jedoch nicht darüber hinweg, dass den Gemeindereferent*innen aufgrund aktueller gesellschaftlicher und kirchlicher Veränderungsprozesse ein unglaublich starker Rollenwandel abverlangt wird. Nicht selten wird diese Neuausrichtung der Berufsidentität von der Sorge begleitet, auf Dauer überflüssig zu werden, wobei die Gemeindereferent*innen mit dieser Verunsicherung in der pastoralen Berufslandschaft nicht alleine dastehen. Gerade in Kontexten neuer Gemeindeleitungsmodelle erleben viele Hauptberufliche enorme Verunsicherung in Bezug auf Zuschnitt und Relevanz ihrer Berufsrolle. Und genau auf diesen Zwiespalt, bei aller Unsicherheit die Zukunft betreffend, die eigene berufliche Identität und Professionalität zu wahren, spielt die Überschrift an. Denn schaut man sich den genannten Artikel von Valentin Dessoy genauer an, kann von einer leichtfertigen Verabschiedung der Zunft der Gemeindereferent*innen aus der pastoralen Landschaft keine Rede sein. Der Autor entwirft hier vielmehr eine vollständig neue Rollenarchitektur für „Spezialisten, die systemrelevante Prozesse professionell unterstützen und begleiten können.“2 Ihm geht es darum, die Kirche darauf hinzuweisen, dass ihre bisherige Rollenarchitektur unterkomplex ist und dringend ausdifferenziert werden muss. Eine größere Vielfalt ist notwendig – womöglich gar eine Diversität? 

Der Titel „Kirche braucht Profis, aber keine Gemeindereferenten“ jedoch, scheint gerade nicht für Diversität zu stehen. Er bleibt nichtsdestoweniger haften und zwar aus einen guten Grund. Er arbeitet mit einer irritierenden Gegenüberstellung zweier Begriffe, die in ihrer sonstigen Erwähnung eigentlich keinen Widerspruch beinhalten. Genau dieser wird hier zum Stilmittel. Damit macht sich der Titel etwas zu eigen, was man aktuell allenthalben ausmachen kann. 

Eine größere Vielfalt ist notwendig – womöglich gar eine Diversität?

Die Rede ist von vereinfachenden Dichotomien, Binaritäten und Dualismen, die der Komplexität der Wirklichkeit zwar in keiner Weise Rechnung tragen, jedoch (nicht nur in der deutschen Gesellschaft) zurzeit wieder Hochkonjunktur haben. Sowohl Parteien als auch viele Kirchenmitglieder nutzen die simplifizierende Perspektive von „Wir“ oder „die Anderen“, ob es sich dabei um andere Religionen, politische Richtungen oder Frömmigkeitsformen handelt. Diese dualistischen Modelle haben einen großen Charme, denn sie bedienen das menschliche Bedürfnis nach Klarheit und Eindeutigkeit. Und was liegt da näher, als sprachlich zwischen zwei Brennpunkten zu unterscheiden, sind Menschen schließlich seit frühster Zeit auf Logiken von „richtig oder falsch“ konditioniert. 

Dualismus vs. Dualitäten in der Katholischen Kirche 

Da verwundert es nicht, dass dieses Denken in den letzten Jahrzehnten leider auch wieder im Raum der katholischen Kirche um sich gegriffen hat. Beispielhaft seien dafür die Kategorien „konservativ oder liberal“ in Verbindung mit „rechtgläubig oder häretisch“, die je nach Kirchenkreisen das Label „richtig oder falsch“ zugeschrieben bekommen und zu einer Aufspaltung in „Wir“ und „die Anderen“ führen. Von einem neutralen und rein beschreibenden Nebeneinander kann hier keine Rede sein, denn sobald die Kategorien „Richtig“ und „Falsch“ im Spiel sind, ist „Abwertung“ und/oder „Ausgrenzung“ unvermeidbar. 

Demgegenüber lassen sich in unserer Tradition auch Momente ausmachen, in denen das duale Denken im Vordergrund steht, bei dem also zwei Pole zunächst unterscheidbar und damit voneinander abgegrenzt werden, eine Abwertung und Ausgrenzung jedoch nicht zwingend ist. 

Denn in der dualen Logik bilden Begriffe komplementäre Paare, die sich also dadurch auszeichnen, dass der eine Begriff das Gegenteil des anderen umfasst, aber beide wertfrei nebeneinander stehen können. 

Beispiele dafür lassen sich beim Innsbrucker Pastoraltheologe Christian Bauer finden. Er macht bei seiner Betrachtung der vier Konstitutionen des Zweiten Vatikanischen Konzils (Sacrosanctum concilium, Dei verbum, Lumen gentium und Gaudium et spes) auf eine  duale Ekklesiologie aufmerksam3 die sich wie ein roter Faden durch die ganze Geschichte des Christentums verfolgen lässt. Ihren Ausdruck findet sie unter anderem in den drei  Dualitäten: 

  • Ortsgemeinden (mit Hausvätern; F.K.) – Wanderprediger,
  • Feudalkirche – Bettelorden, 
  • Territorialseelsorge – Kategorialpastoral. 

Und als sei das noch nicht deutlich genug, lässt sich die Dualität sogar bis in die zwei pastoralen Grundausrichtungen der beiden Kirchenkonstitutionen Lumen gentium und Gaudium et spes hinein ausweisen, insofern die eine von der „Komm-her-Pastoral“ geprägt ist, während für die andere die „Geh-hin-Pastoral“ leitend ist. 

Nimmt man die Spur dieses Denkens einmal unter zeitgeschichtlichen Aspekten in den Blick, mag zwar der Eindruck entstehen, dass man es mit einem Pendel zu tun hat. Je nach Epoche, Bedürfnissen und Verantwortungsträgern schlägt es mal zur einen oder zur andere Seite aus, sodass es zu einer zeitlich begrenzten Überbetonung einer der beiden Pole kommt. Allerdings steht dabei niemals zur Diskussion, dass der andere komplementär dazugehört und sein Dasein berechtigt ist. Das duale Denken ist damit nicht mit dem dualistischen zu verwechseln, denn das Erste lebt von der sprachlichen Unterscheidung durch Abgrenzung während das Zweite in der Regel Abwertung, Ausgrenzung und Ablehnung eines der beiden Pole beinhaltet. 

Die Ausgrenzung des anderen, wie es zum Beispiel häufig durch das vorschnelle Absprechen der Katholizität in Kommentarspalten der sozialen Medien und teilweise sogar in vatikanischen Streitigkeiten geschieht, tritt immer dann verstärkt hervor, wenn die eigenen Etabliertenvorrechte bzw. die eigene Macht in Gefahr sind. Erst dann wird die Abwertung anderer zur relevanten Größe. Dieses in den letzten Jahren gut beobachtbare Verhalten lässt sich auch durch soziologische Studien, etwa zur gruppenbezogenen Menschlichkeit, finden. Eine Langzeitstudie der Universität Bielefeld fand heraus, dass die Abwertung von Homosexuellen, Obdachlosen und Migrant/-innen immer dann steigt, wenn die Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft ihre eigenen Privilegien in Gefahr sehen.4 

Dualitäten und Dualismen in Organisationen

In ihrem lesenswerten Buch „Management Y“ schreiben Ulf Brandes und seine Co-Autor*innen von den beiden Rollen „Pioniere“ und „Siedler“, die es in jedem Change-Prozess, in jeder sich wandelnden Organisation braucht.5 Die Pionier*innen erkunden, erobern und entdecken das Neue, während die Siedler*innen das Neue infrastrukturell erschließen, Pläne und Strukturen entwickeln und Abläufe organisieren. Beide Rollen sind dabei aufeinander angewiesen, also dual gedacht. Die Bereitschaft, ins Chaos zu gehen oder durch den Nebel zu fahren, benötigt den Aufbruch, die Risikobereitschaft und die Flexibilität der Pionier*innen. Die Bereitschaft, dem Entdeckten Struktur und Format zu geben, benötigt Überblick, Disziplin und Durchhaltevermögen. Die beiden Rollen bieten ein duales Konzept an: Pionier*innen sind keine Siedler*innen, Siedler*innen sind keine Pionier*innen, aber sie brauchen einander.

Duale Rollen und Richtungen sind sinnvolle, teils notwendige Geländer – auch in kirchlichen Prozessen der Veränderung.

Siedler*innen und Pionier*innen, „Komm her-Pastoral“ und „Geh hin-Pastoral“ und Frauen und Männer. Das Denken in sich ergänzenden Dualitäten nimmt Abschied vom Dualismus, der einen der beiden Pole abwerten würde. Duale Rollen und Richtungen sind sinnvolle, teils notwendige Geländer – auch in kirchlichen Prozessen der Veränderung. Das ist zunächst als wichtiger Meilenstein festzuhalten.

Aber sind gegenübergestellte Rollen und Richtungen tatsächlich entwicklungsfördernd? Gerade im Bereich von notwendigen Veränderungen und Neugestaltungen sind duale Modelle häufig kreativitätsgefährdend. Das modellhafte Denken stützt zwar zunächst erste Schritte und erleichtert den Weg durch das Chaos. Gleichzeitig simplifiziert es aber auch das Denken, da die Lösungen nur zwischen zwei Alternativen gesucht wird, verzögert dadurch notwendige Infragestellungen und Kurskorrekturen und führt dazu, vermeintliche Errungenschaften als Erfolge zu deklarieren, die sich alsbald als Etikettenschwindel herausstellen.  

Dazu zwei Beispiele:  

Erstens: Die Unternehmerin Sabria David, ehrenamtlich im Vorstand der Wikipedia-Mutter Wikimedia, hält in Bezug auf die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen in Führung fest: „Entweder lässt man sich ganz auf das Berufsrevier ein und hat dann nichts mehr außer dem Revierkampf im Büro. Oder ich gebe den Beruf ganz auf und widme mich nur meinem Familienleben.“6 Die vermeintliche Errungenschaft, dass Frauen endlich Führungspositionen offen stehen, wird in dieser Aussage um den Preis erworben, zwischen zwei unvereinbaren Polen entscheiden zu müssen: nämlich entweder Berufstätigkeit inklusive Führung oder Familienleben (ohne Beruf/Führung). Die Vorstellung fällt dem (dualen) Fehlschluss zum Opfer, Führung könne immer nur als Vollzeitkraft ausgefüllt werden und die Gleichberechtigung von Mann und Frau bestünde darin, die Arbeitsrealitäten der Frauen an die vorherrschenden Realitäten der Männer anzupassen. Damit wähnt man sich zwar in einer vermeintlichen Errungenschaft – nämlich Frauen endlich auch Zugang zu Führungspositionen zu eröffnen. Das kritische Nachdenken jedoch bleibt weitesgehend aus, da man sich mit dem vordergründigen Ziel zufrieden gibt und die duale Logik nicht noch einmal auf den dahinterliegenden Etikettenschwindel reflektiert. 

Die pastorale Neu-Ausrichtung führt bei Hauptberuflichen zu Rollenunsicherheit, Frustration und Überforderung.

Zweitens: Ein ähnliches Phänomen lässt sich aktuell auch bei der pastoralen Neugestaltung deutscher (Erz-)Bistümer beobachten. Angesichts personeller wie finanzieller Ressourcenknappheit in Diözesen wird verstärkt auf Ehrenamtliche mit ihren Charismen und ihrer Engagementbereitschaft gesetzt. Das geschieht nicht selten unter der Überschrift „Ermächtigung und Partizipation“ von Laien, ist man schließlich gemeinsam Kirche. Interessanterweise scheint auf dem Feld der Hauptberuflichen das genaue Gegenteil davon erreicht zu werden. Die pastorale Neu-Ausrichtung führt bei ihnen zu (Berufs-)Rollenunsicherheit, Frustration und Überforderung. Zwar lässt sich auch in diesem Fall die Stärkung der Ehrenamtlichen als Errungenschaft ausweisen. Das ändert jedoch nichts daran, dass man – in der dualen Logik von Hauptberufliche und Ehrenamtlichen verhaftet – eine grundsätzliche Infragestellung dieser Zuordnung aus dem Weg geht und möglicherweise einem Etikettenschwindel erliegt, der das Problem nur temporär verschiebt statt löst.  

Die Chance diversitätssensibler Logiken

Worin fände sich dann aber eine angemessene Lösung? Mit Blick auf das gerade erwähnte erste Beispiel ermöglichte ein diversitätssensibles Förderkonzept für Frauen und Männer ganz andere Realitäten, denn es eröffnete ein erhöhtes und reflektiertes Prototyping mit individuellen Modellen, bei denen Führung in Teilzeit, in Home Office, mit geteilter Macht oder auf Zeit möglich ist. Dadurch könnte auch eine gesunde Balance zwischen Arbeit und Familie Berücksichtigung finden, die im dualen Denken keinen Platz hatte. All diese Modelle gibt es zwar längst, aber sie stoßen kaum in die höchsten Hierarchieebenen von Unternehmen vor. Geschieht das wirklich nur, weil sich Führung eben nur in Vollzeit, ständiger Präsenz, ungeteilter Macht und langen Betriebszugehörigkeiten gestalten lässt? Oder bleiben die höchsten Hierarchieebenen von solchen Ideen unberührt, weil sich Alteingesessene vielleicht doch um ihre Macht und Privilegien sorgen? Fundiert lassen sich diese Fragen nicht so leicht beantworten. Klar ist nur: Das Umdenken und Umbauen ist sehr anstrengend, erfordert höchste Reflexion und Offenheit, eigene – oft unbewusste – Überzeugungen zu hinterfragen. 

All diese Modelle gibt es zwar längst, aber sie stoßen kaum in die höchsten Hierarchieebenen von Unternehmen vor.

Mit Blick auf das zweite Beispiel wäre ebenfalls eine Weitung der Optionen ein wichtiger Schritt. Je diverser die Lebensumstände und Kirchenzugehörigkeiten der Gläubigen, desto heterogener kann auch das Team sein, das für die und mit den Gläubigen im Einsatz ist. Konkret würde das bedeuten: jedes Team wäre zwar äußerst gut qualifiziert, aber eben auch bei Bedarf äußerst heterogen in diesen Qualifikationen und Persönlichkeiten – um die „Produktvielfalt“ möglichst dem anzupassen, was vor Ort benötigt wird. Eine stringente „Kundenorientierung“ und die stete Frage nach dem, was sich diese „Kund*innen“ von der Kirche wirklich wünschen, würde zwar möglicherweise schmerzhafte Abschiede von Liebgewonnenem bedeuten, aber ebenso Aufbrüche und Kontinuitäten für die Angebote enthalten, die die Gläubigen brauchen und herbeisehnen. Und für diesen Fall wäre die Dualität der Hauptberufliche und Ehrenamtlichen irrelevant – relevant wäre, was vor Ort die besten Ergebnisse bewirkt. 

Im Hinblick auf Entwicklung und Rollenvielfalt heißt das: die Abkehr von Dualismen ist zwingend, die Überschreitung von Dualitäten ist dringend geboten. Und sie ist der erste Schritt zur Diversitätsförderung. Erst wenn es gelingt, die eigenen dualen Denkweisen zu hinterfragen, wird es möglich, sowohl personell als auch inhaltlich divers zu werden, was sowohl das Management in Organisationen als auch die kirchliche Pastoral bereichern könnte.  

Ob man in diesem Zusammenhang auch noch mal den Begriff „Ermöglichungspastoral“ kritisch unter die Lupe nimmt, bleibt abzuwarten. Denn obgleich für Diversität und Vielfältigkeit stehend, lebt dieser Begriff davon, ihn zumindest gedanklich von seinem Gegenpart „Verhinderungspastoral“ abzugrenzen. Würde man damit aber wirklich die duale bzw. dualistische Engführung hin zur Diversität überschreiten, wenn die Pastoral von morgen jene Ermöglichungsform beinhalten soll, die heute ihren dualen Gegenpart voraussetzt, von dem sie abzugrenzen wäre?

Profis und Gemeindereferent*innen

Die Abkehr von Dualismen ist zwingend, die Überschreitung von Dualitäten ist dringend geboten.

Was bedeutet die Darstellung der Dualismen und Dualitäten für das kirchliche Geschehen und vor allem für die Weiterentwicklung von Kirche auf dem Weg in die Zukunft? 

Simpel gesprochen zuerst eins: Abbau und bestenfalls Beendigung der „Dominanzkultur“7, die dualistisches Denken mit sich bringt. Jedes dualistische Paar beinhaltet nämlich einen dominanten und einen untergeordneten Part, die auch immer Auf- bzw. Abwertung verbunden sind. Das ist bei den Begriffspaaren am Anfang des Artikels nicht anders. So ordnet jeder Mensch gedanklich den Himmel „höherwertig“ und die Hölle „minderwertig“ ein.  

Auch das duale Denken verführt – wie angedeutet – zu Vereinfachungen, die Antworten zwischen zwei Alternativen suggerieren, ohne das gesamte kreative Spektrum von Lösungen auszuschöpfen. Dabei geht es hier zwar nicht um Auf- oder Abwertung verbunden mit Ausgrenzung, jedoch um Abgrenzung, die für duales Denken konstitutiv ist. Dass Christ*innen beiden Varianten kritisch gegenüberstehen sollten, daran erinnert uns unsere trinitarische Gottesbild. Denn auch hier kommt man weder mit einer dualistischen noch mit einer dualen Logik weiter. In drei Personen ist Gott einer und entzieht sich durch eine je größere Unähnlichkeit jeder fixierbaren Vorstellung des Menschen. In seiner Unverfügbarkeit lässt er sich weder erfassen noch einordnen und ist doch gegenwärtig. Obgleich treu und verlässlich, bleibt er flüchtig, ist nicht in eine greifbare Beständigkeit zu überführen und trotzt aller von Menschenhand versprochener Sicherheiten. In seine Undurchschaubarkeit ist Gott der eine, der in seinem Wesen alle Widersprüche aufhebt und bei aller Vielfalt doch immer der Eindeutige bleibt. 

Wenn die Welt und das Leben in ihr sich im ständigen Wandel und in höchster Komplexität befinden, wie können dann Organisationen wie die Kirche weiter versuchen, mit dualen und zum Teil sogar dualistischen Modellen zu antworten?

Diese Unverfügbarkeit, diese Nicht-Einordnung Gottes ist (ganz im Sinne der Analogielehre des IV. Laterankonzils) vergleichbar mit dem, was die heutige Welt auch auszeichnet. Ein bekanntes Stichwort ist „VUCA-World“, ein Akronym, das sich aus den vier Worten Volatilität (Unbeständigkeit), Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (Mehrdeutigkeit) zusammensetzt. Wenn die Welt und das Leben in ihr sich im ständigen Wandel und in höchster Komplexität befinden, wie können dann Organisationen wie die Kirche weiter versuchen, mit dualen und zum Teil sogar dualistischen Modellen zu antworten? 

Und damit zurück zum Anfang: „Profis, keine Gemeindereferenten“? Das war die zum Artikel provozierende Gegenüberstellung. Valentin Dessoy schrieb in seinem Aufsatz, dass es Spezialist*innen braucht, die Prozesse unterstützen und begleiten. Wir würden sagen: die braucht es auch. Und es braucht noch vieles mehr. Unter passenden Umständen sicherlich auch ganz „klassische“ Gemeindereferent*innen. 

  1. Erschienen in “das magazin” des Berufsverbands der Gemeindereferent*innen, Ausgabe 2/2017.
  2. ebd.
  3. Bauer 2012, 150ff.
  4. vgl. Heitmeyer (Hg.) 2002-2012.
  5. Brandes et al 2014, 34f.
  6. brandeins 11/2017, 44.
  7. Rommelspacher 2006.

Literatur

  • Bauer, Christian: Optionen des Konzils? Umrisse einer konstellativen Hermeneutik des Zweiten Vatikanums, In Zeitschrift für Katholische Theologie 134 (2012), 141–162, hier: 150ff.
  • brandeins 11/2017: Sogar als Frau! Text und Interview: Gabriele Fischer. 38-46
  • Brandes, Ulf/Gemmer, Pascal/Koschek, Holger/Schültken, Lydia: Management Y. Agile, Scrum, Design Thinking und Co.: So gelingt der Wandel zur attraktiven und zukunftsfähigen Organisation. Frankfurt am Main 2014.
  • Dessoy, Valentin: Kirche braucht Profis, aber keine Gemeindereferenten. Skizze einer neuen Rollenarchitektur, in:  das magazin (Mitgliederzeitschrift des Gemeindereferentinnen-Bundesverbandes) 4/2017, 4-12.
  • Heitmeyer, Wilhelm (Hg.): Deutsche Zustände. Folge 1-10. Die Langzeitstudie betrachtet die Jahre 2002 bis 2012 unter dem Stichwort des „entsicherten Jahrzehnts“.
  • Rommelspacher, Birgit: Dominanzkultur. Texte zu Fremdheit und Macht. 2006.

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